Stiftung Naturschutz

„Ehrlich sein und gut kommunizieren“

Interview mit Dr. Cordelia Wiebe am 25.01.2023 in der Schrobach-Stiftung in Kiel

Vita

Ich bin Cordelia Wiebe, bin in Hamburg geboren im heutigen Norderstedt und im Dorf Bönningstedt aufgewachsen. Ich bin in Hamburg zur Schule gegangen. Nach dem Abitur habe ich zunächst eine Ausbildung als Biologielaborantin am Forschungsinstitut Borstel begonnen und dann in Kiel Biologie studiert. Im Hauptstudium habe ich mich auf Geobotanik spezialisiert und bei Professor Dierßen meine Diplomarbeit geschrieben. Der Bereich Naturschutz war für mich immer das klare Ziel. Während des Studiums bin ich zur Ökosystemforschung Bornhöveder Seenkette gekommen. Dafür wurde ein neues interdisziplinäres Projekt gegründet. Ich war zunächst als Hiwi in der Arbeitsgruppe von Joachim Schrautzer und habe schließlich meine Diplomarbeit und meine Doktorarbeit in diesem Forschungsbereich durchgeführt. Thematisch ging es um die Vegetation von Erlenbruchwäldern in Abhängigkeit von edaphischen und hydrologischen Faktoren, insbesondere um verschiedene Entwässerungsstadien. Ich wollte aber nicht nur die Auswirkungen der Entwässerung vor allem auf die Krautschichtvegetation untersuchen, sondern gerne auch die Folgen der Wiedervernässung, weil das ja das Ziel im Naturschutz ist. 1992 habe ich über Joachim Schrautzer Kurt Schrobach kennengelernt, der gerade seine Stiftung gegründet hatte und in der Pohnsdorfer Stauung die Vernässung eines Bruchwaldes plante. Diesen Wald konnte ich in meine Untersuchungen mit einbeziehen. Ich bin dann über diesen Kontakt in den wissenschaftlichen Beirat dieser Stiftung gekommen. Nach der Promotion fragte mich Herr Schrobach, ob ich in seiner Stiftung mithelfen wolle. Er war sehr daran interessiert, die Flächendaten zu digitalisieren. Das war meine erste Aufgabe dort. So konnte ich seit 1997 in die Schrobach-Stiftung hineinwachsen. Nach dem Tod von Herrn Schrobach Ende 1999 bin ich in den Vorstand gekommen und habe die Geschäftsführung übernommen.

Wann hast du begonnen, dich für den Naturschutz zu engagieren? Was und wer hat dich beeinflusst? Wann war das?

In meiner Jugend war Natur schon immer Thema. Ich hielt mich immer gern draußen auf, am liebsten auf dem Rücken meines Ponys und bei der Pflege der damals gepachteten, blütenreichen Koppel. Ich habe mich früher eigentlich immer mehr für Tiere als für Pflanzen interessiert und wurde von Menschen wie Horst Stern und Konrad Lorenz beeinflusst, den Idolen der damaligen Zeit.

Die Anfänge der „Grünen“ haben sicherlich auch einen großen Einfluss gehabt – das Waldsterben und die Naturzerstörung, über die ich mir in meiner Jugend große Sorgen gemacht habe.

Wo, wann und in welcher Funktion hast du dich eingesetzt? In welchen Gebieten, auf welchen Flächen, in welchen Einrichtungen, ehrenamtlich oder hauptamtlich? Welche Aufgaben hatten deine Wirkungsstätten? Was hast du dort konkret gemacht?

Vor dem Studium habe ich mich ehrenamtlich für Maßnahmen wie Krötentunnel bei uns vor der Haustür eingesetzt, weil die leichenübersäten Straßen schwer zu ertragen waren. Während des Studiums habe ich mich in der Ökosystemforschung im Bereich der Bornhöveder Seenkette engagiert und später in der Schrobach-Stiftung in verschiedenen Gebieten Schleswig-Holsteins.

Welche Programme, Richtlinien, Einrichtungen, Institutionen etc. haben deine Arbeit beeinflusst, und wie beurteilst du deren Wirkung?

Eigentlich haben mich nicht Programme, Richtlinien und Einrichtungen, sondern hauptsächlich Personen beeinflusst. Die Arbeitsgruppe im damaligen Ökosystem-Forschungsprojekt gehört auf jeden Fall dazu. Hier kam man mit Wissenschaftlern aus verschiedenen Forschungsbereichen zusammen und diese Zusammenarbeit der verschiedenen Disziplinen hat viel Spaß gemacht, weil man sehr viel von anderen lernen konnte.

In der Schrobach-Stiftung arbeiten wir schon seit ewigen Zeiten sehr eng, vertrauensvoll und unbürokratisch mit dem Landesamt und natürlich auch mit dem Umweltministerium zusammen und erhalten für die übernommenen Aufgaben Fördermittel. Das Gleiche gilt für die Unteren Naturschutzbehörden der Kreise, in denen wir tätig sind.

Und dann sind da vor allen Dingen die Naturschutzvereine, die wir als Stiftung mit gegründet haben und in deren Vorständen wir tätig sind. Dort sitzen nicht nur Naturschützer, sondern auch Vertreter anderer Interessen, die in irgendeiner Weise mit der Landschaft zu tun haben. Dazu zählen vor allem Landwirte, Forstwirte, Jäger, aber auch Vertreter der Gemeinden und des Tourismus. Dadurch entsteht eine enge Zusammenarbeit unterschiedlichster Menschen mit unterschiedlichsten Sichtweisen und man läuft nicht Gefahr abzuheben, man bleibt bodenständig, muss Kompromisse schließen, die aber auch sehr gut und vor allem tragfähig sein können.

Programme wie das Moorschutzprogramm oder die Biodiversitätsstrategie sind als Basis und als Instrument zur Umsetzung von Naturschutzzielen unglaublich wichtig. Für uns in der Stiftung kommen sie erst im zweiten Schritt ins Spiel. Erst mal kommt die Frage: Was will ich verwirklichen? In welcher Region? Welches Gebiet würde ich gerne schützen? Und dann ist die nächste Frage: Welche Möglichkeiten habe ich, um dieses Ziel zu erreichen?

Welche Ziele waren dir bei deiner Arbeit für den Naturschutz wichtig? Haben sich die Ziele im Laufe der Zeit verändert?

Mir war immer der konservierende Naturschutz wichtig, und das ist bis heute so, also: Erhalt vor Neuschaffung. Ich halte es für wesentlich, dass wir in der sich immer weiter und schneller verändernden Landschaft versuchen, die Arten, Lebensgemeinschaften und Ökosysteme, die noch da sind, zu erhalten, weil es den größten Effekt bringt. Dass das nicht reicht, ist völlig klar, aber dies sollte immer die erste Priorität sein. Ein weiteres Ziel ist, immer nur so wenig Eingriffe in die Natur wie nötig zu machen, um beispielsweise bestimmte Artenschutzziele zu erreichen.

Und wenn man einen Weg eingeschlagen hat, sollte man ihn auch zu Ende gehen, außer natürlich, es gibt einen wichtigen Grund, das nicht zu tun. Projektziele nach kurzer Zeit ohne Not anzupassen und die Maßnahmen entsprechend zu ändern, halte ich für falsch. Wenn das auf halber Strecke geschieht, werde ich nie erfahren, ob die Entwicklung, die ich eingeleitet habe, mit den Methoden, die ich durchführen wollte, funktioniert hat. Am Ende kommt irgendetwas dabei heraus, aber keiner weiß so genau, warum dieses Ergebnis erzielt wurde. Man sollte den eingeschlagenen Weg möglichst gut begleiten, damit man hinterher sagen kann: Das war jetzt richtig, und dies hat nicht funktioniert.

Auch sollten wir neue Strömungen im Naturschutz erst mal kritisch hinterfragen und nicht alles gleich mitmachen und auf jede Schiene aufspringen. Nicht alles, was gerade „in“ ist, ist auch unbedingt überall längerfristig sinnvoll. Und nicht alles, was teuer ist, muss für die Natur oder für den Naturschutz zwangsläufig gut sein.

Zwei Beispiele: Bei den Weidelandschaften wurde eine Zeit lang in Naturschutzkreisen kommuniziert, dass nur eine Beweidung mit Auerochsen oder Koniks erfolgversprechend wäre. Das halte ich nicht für richtig. Die Einrichtung von Weidelandschaften ist für mich nur ein Mittel zum Zweck. Das Ziel ist, ein sehr artenreiches Grünland in allen möglichen Übergangsformen zu anderen Landschaften wie Wald oder Gewässern herzustellen oder zu erhalten, und da muss man überlegen, welcher Methoden man sich bedienen möchte oder kann. Müssen es zwangsläufig Koniks sein oder tun es nicht auch andere Robustpferde, die vielleicht in der Nähe sind, weil ein Landwirt sie dort züchtet? Durch die Einbindung örtlicher Landwirte bekommt man Langfristigkeit und eine Akzeptanz vor Ort. Man sollte gucken, ob man etwas gemeinsam hinkriegt und es dann auch gemeinsam weiterentwickeln.

Das zweite Beispiel ist die Wiederansiedlung von Pflanzenarten. Auch hier sollte gründlich recherchiert werden, ob eine langfristige Etablierung der gewünschten Arten realistisch erscheint, also z.B. die edaphischen Faktoren günstig sind oder eine intensive Pflege zum Erhalt langfristig gewährleistet ist. Ansonsten kann es passieren, dass die mit großem Aufwand eingebrachten Arten nach kurzer Zeit wieder verschwinden.

Was würdest du als deinen größten Erfolg in Sachen Naturschutz bezeichnen? Und warum?

Ich hatte überhaupt keinen Erfolg in Sachen Naturschutz, sondern wenn, dann wir. Ich bin da nur ein ganz kleines Rädchen, aber gemeinsam mit vielen Akteuren haben wir schon Erfolg gehabt. Dazu zähle ich vor allen Dingen die beiden großen Vereine, in denen wir mit tätig sind: der Naturschutzverein Obere Treenelandschaft und der Naturschutzring Aukrug. Beide existieren seit über 20 Jahren.

Diese Vereine sind in den Regionen gut verankert. Wir sind als Schrobach-Stiftung ein Part. Wenn Flächen in diesen Gebieten angeboten werden, wird zu unseren Gunsten (i.d.R. mit Fördermitteln) gekauft. Das läuft immer noch gut nach den vielen Jahren und ist ein großer Erfolg. Denn wenn man als Stiftung immer größerer Flächeneigentümer wird, kann man es sich in der Region auch ganz schön verderben. Einer der Erfolge ist, dass das bisher nicht passiert ist.

Zum Beispiel, wenn man einen Eigenjagdbezirk zusammen hat, also mindestens 75 Hektar, und diesen neu verpachtet, kommt das bei den Leuten, die dort vorher gejagt haben, nicht gut an. Wir versuchen, allen zuzuhören mit dem Ziel, einen gemeinsamen Weg zu finden. Das heißt nicht, dass man sich nicht mal streitet. Aber insgesamt sind wir in diesen beiden Vereinen sehr wohl gelitten. Das ist gut, weil die Kontinuität im Naturschutz ganz entscheidend ist. Dass man sich kennt und sich vertraut. Es ist ein langer Weg, und zwischen Naturschützern und Landwirten gibt es in der Regel zumindest gefühlt erst mal nicht so viele Gemeinsamkeiten. Mit der Zeit kann es dann aber dazu führen, dass so ein Verein in der Region sogar als Anlaufstelle für alle Fragen, die mit Natur zu tun haben, gesehen wird. Wenn es so läuft, haben alle gewonnen und es spricht sich auch herum. Die Verbreitung dieses Prinzips ist vielleicht der größte Erfolg der Schrobach-Stiftung. Und damit verbunden die Etablierung der Lokalen Aktionen, die viele Nachahmer gefunden haben. Inzwischen ist ein Großteil des Landes in Lokale Aktionen aufgeteilt, die Naturschutz vor Ort betreiben, also die Vorgaben des Landes und der EU umsetzen. Möglichst geräuschlos und immer ganz dicht an den Menschen. Das haben das Land Schleswig-Holstein und hier das Umweltministerium schon früh erkannt und das Ganze gefördert.

Seit vielen Jahren schon haben sich diese Vereine dem bundesweit tätigen Deutschen Verband für Landschaftspflege angeschlossen. Kurz nachdem wir die ersten beiden Vereine mitgegründet, die Ideen entwickelt und umgesetzt haben, stellten wir fest, dass es vergleichbare Strukturen (Landschaftspflegeverbände des DVL) schon in anderen Bundesländern gibt. Seitdem haben wir eine enge Verbindung zum Deutschen Verband für Landschaftspflege. Als Stiftung haben wir für unsere Arbeit im vergangenen Jahr den Landschaftspflege-Preis erhalten.

Wann ist dir der Begriff „Klimaschutz“ zum ersten Mal begegnet?

Allerspätestens im Studium, wenn nicht früher.

Hast du Klimaschutzaspekte bei deiner Naturschutzarbeit aktiv miteinbezogen? Wo und wann ist dir das mit welchen Maßnahmen gelungen?

Klimaschutz wird bei uns eigentlich immer mitgedacht. Unsere Naturschutzmaßnahmen sind in der Regel auch Klimaschutzmaßnahmen. Zum Beispiel, wenn wir ehemals artenreiche Feuchtwiesen erhalten oder wieder artenreicher entwickeln wollen, geht das nur bei sehr hohen Wasserständen, die gleichzeitig für den Moor- und Klimaschutz entscheidend sind. Wir betreiben meistens auch Klimaschutz: ob wir Grünland extensivieren und damit mehr Bodenleben und mehr Humusbildung ermöglichen oder ob wir Wälder aus der Nutzung nehmen und damit das ganze System, insbesondere auch den Boden als CO2-Speicher schützen. Selbst die reinen Artenschutzprojekte dienen häufig auch dem Klimaschutz: Zum Beispiel versuchen wir seit 2008 im Rahmen eines landesweiten Fledermausschutzkonzeptes im ganzen Land ein Netz aus artenreichen Wäldern mit alten, hiebreifen Bäumen zu sichern und diese Wälder dann entweder naturnah umzubauen oder sie, wenn sie es schon sind, aus der Nutzung zu nehmen. Dabei entwickeln sich naturnahe, resiliente Waldökosysteme, die wiederum sehr viel CO2 speichern.

Haben sich im Nachhinein Maßnahmen, die andere Ziele verfolgten, deiner Meinung nach als klimarelevant erwiesen?

Das Ziel unserer Stiftung ist Naturschutz, nicht Klimaschutz. Das steht so in der Satzung, aber der Klimaschutz hängt ja meist damit zusammen. Das erste Projekt der Stiftung war die Wiedervernässung der Pohnsdorfer Stauung. Herr Schrobach wollte hier wieder Amphibien sehen, wollte, dass es nass und artenreich wird. Damals war ich noch an der Uni und in der Arbeitsgruppe von Joachim Schrautzer. Wir haben das Gebiet als eines von zwei Modellprojekten zur Ermittlung der Auswirkungen einer Niedermoorvernässung angemeldet.

In welchen Bereichen ist die Integration von Naturschutz und Klimaschutz am besten gelungen? Was waren die entscheidenden Faktoren?

In der Pohnsdorfer Stauung ist das hoffentlich gut gelungen. Es wurden damals ein paar Jahre lang neben den Emissionen vor allen Dingen auch die Nährstoffeinträge in den angrenzenden Postsee gemessen. So ein Monitoring hört dann irgendwann auf. Am Anfang gibt es bei solchen Projekten immer auch negative Effekte: Durch die Vernässung wird Phosphor gelöst und in den nächsten See gespült oder bei der Vernässung von Mooren entsteht zunächst Methan. Das sollte uns aber nicht daran hindern, die Systeme wieder natürlicher zu gestalten, denn auf die Dauer entsteht ja wieder eine Nährstoff- und Kohlenstoffsenke. Es kann nicht die Lösung sein, die Mineralisierung weiter geschehen zu lassen. Neben der Pohnsdorfer Stauung gibt es noch andere Projekte, bei denen Naturschutz und Klimaschutz sich ergänzen. Wir haben Moore vernässt, haben auf mehr als tausend Hektar Wald die naturnahe Entwicklung eingeleitet und die Flächen zum Teil bereits aus der Nutzung genommen. In der Leezener Au-Niederung im Kreis Segeberg ist der Erhalt der artenreichen Feuchtwiesen ein Naturschutzziel. Das klappt nur bei hohen Grundwasserständen und einer extensiven Pflegenutzung. Wir hatten das Glück, einen Pächter zu finden, der Wasserbüffel hält, die extrem viel Nässe abkönnen. So ist die Pflege der Flächen trotz des hohen Wasserstandes möglich.

Einige Flächen in der Niederung sind aber selbst für Wasserbüffel zu nass. Hier steht dann ausschließlich der Moor- und Klimaschutz im Vordergrund. Wenn es sich um Flächen handelt, die sowieso nicht so artenreich waren, ist das undramatisch.

Projekte, bei denen die Integration von Naturschutz und Klimaschutz besonders geglückt ist, fallen mir spontan nicht ein, weil in den meisten Naturschutzprojekten gleichzeitig auch Klimaschutz betrieben wird.

In welchen Bereichen hat das Einbeziehen der Klimaschutzaspekte gar nicht funktioniert? Woran lag das? Am fehlendem Bewusstsein/ Wissen, an Sachzwängen oder an handelnden Personen?

Hauptsächlich an den Sachzwängen. Wenn man beispielsweise ein ehemaliges entwässertes Hochmoor vernässen möchte, aber nicht alle Eigentümer mitspielen, kann man es nicht tun. Man könnte sagen, es liegt an Personen, aber es sind eigentlich Sachzwänge: Wer möchte schon riskieren, dass z.B. sein Keller unter Wasser steht.

In sehr naturfernen Wäldern funktioniert eine Entwicklungsumkehr zu einem Naturwald nur mit umfangreichem Maschineneinsatz. Zumindest, wenn man das in einem absehbaren Zeitraum schaffen möchte. Man muss die standortfremden Gehölze, die sich trotzdem verjüngen, entfernen und die Flächen dazu befahren, allein um das Holz herauszuholen. Das ist z.B. mit Rückepferden nur in begrenztem Umfang und nicht auf allen Standorten möglich. Auch die Ausbreitung von Neophyten kann oft nur mit radikalen Methoden gestoppt werden, die mit Klimaschutz nichts zu tun haben. Derartige Maßnahmen sind aber vorübergehend und lokal begrenzt.

Zur Frage, wo es gar nicht funktioniert hat, fällt mir spontan eine Begebenheit ein. In Pohnsdorf ist damals der Westpolder vernässt worden. Bis dahin war es ein langer Weg und es wurde schließlich ein bestimmter Wasserstand genehmigt. Wir haben das mit einem Stau aus Kies gemacht und es entstand eine große Wasserfläche. Einem Mitbürger hat das aber anscheinend nicht gereicht. Er erhöhte die Kiesschüttung um circa 20 cm, was in der sehr flachen Niederung zu einem sehr viel höheren Wasserstand führte. Es sah super aus und hat sicher auch den Amphibien sehr gefallen, war aber nicht genehmigt. Daher mussten wir den Wasserstand wieder auf die genehmigte Höhe absenken. Wir haben reagiert und die definierte Höhe so eingerichtet, dass sie nicht mehr manipulierbar war. So etwas kann mal passieren, aber das sind Einzelfälle.

Gibt es, wenn du auf die einzelnen Projekte zurückblickst, Dinge, die du heute in Bezug auf den Klimaaspekt anders machen würdest?

Da fallen mir die Wälder und die Erfahrungen ein, die wir mit dem Waldumbau gemacht haben. Mit dem Holzeinschlag werden Firmen beauftragt. Wenn es bei Maßnahmenbeginn zu einem Wetterumschwung gekommen ist, kann es sein, dass die jeweilige Fläche nicht mehr gut befahrbar ist. In Zukunft würde ich so eine Maßnahme dann lieber spontan absagen, damit der Boden nicht leidet.

Das Gleiche gilt auch für Maßnahmen im Offenland. Wenn sie im Oktober oder November durchgeführt werden, weil es anders nicht möglich ist, kann es sein, dass es bereits sehr feucht ist und entsprechende Schäden im Boden oder am Boden auftreten. Die sieht man zwar nach einem Jahr meist nicht mehr, aber es ist trotzdem nicht gut, denn der Boden wird verdichtet und zerwühlt, was zu CO2-Austrägen führen muss. Da müssen wir vielleicht alle noch vorsichtiger werden und Maßnahmen im Zweifelsfall zurückziehen.

Wie sieht für dich erfolgreicher Naturschutz verbunden mit Klimaschutz in Zukunft aus? Und wo siehst du die Grenzen des Zusammenwirkens von Natur- und Klimaschutz?

Wir haben das Glück, dass wir unsere Naturschutzziele in der Regel auf Eigentumsflächen umsetzen können. Deswegen sind wir sehr frei. Wir können Naturschutz und Klimaschutz immer zusammendenken und abwägen: Wo steht zum Beispiel der Erhalt ganz seltener Arten vor der maximalen Vernässung einer Feuchtwiese? Ich denke, in Zukunft werden wir so weitermachen. Wir versuchen, möglichst viele Flächen zu sichern und dort dann effektiven Natur- und Klimaschutz durchzuführen.

Die Grenzen sind außerhalb meines Tätigkeitsbereichs: Wenn ich an Windkraft denke oder an Photovoltaik in Hochmooren. Das ist ein Problem des Flächenverbrauchs und z.B. der Ökobilanz. Man müsste den Energieverbrauch bei der Herstellung etc. mit betrachten, damit man kurzfristig, mittelfristig, langfristig einschätzen kann, ob es ein Erfolg ist oder nicht. Auf jeden Fall sollten bei diesen Dingen auch immer naturschutzfachliche Aspekte eine Rolle spielen – mehr als jetzt. Ein Beispiel: Viele Leute bauen sich jetzt Holzpelletheizungen und ich frage mich manchmal, wo das ganze Holz eigentlich herkommen soll. Wenn die Entwicklung dadurch immer mehr in Richtung Umtriebsplantagen geht, geht das auf Kosten artenreicher, CO2-einsparender Wälder. Zumindest müsste man das berechnen. Die Energie, die man verbraucht, um das Holz zu ernten, ist hoch und die Biodiversität ist in solchen Plantagen nicht besonders groß. Außerdem verbleibt der ganze Wurzelbereich der abgeholzten Bäume im Boden und wird zersetzt.

Es wäre gut und wichtig, ehrlich zu bilanzieren, damit man zu vernünftigen Lösungen kommt und nicht momentane Hypes fördert, ohne dass alle Aspekte berücksichtigt werden, wie z.B. bei den Biogasanlagen geschehen.

Welche Ziele und Herangehensweisen hältst du in diesem Zusammenhang für realistisch?

Ich kann das nur aus Stiftungssicht betrachten. Es ist wichtig, möglichst immer alles zusammenzudenken, vor allen Dingen die Menschen vor Ort ehrlich, kontinuierlich und langfristig mit einzubeziehen und auch Kompromisse zu finden. Sonst wird man nicht weiterkommen.

Welche Fehler dürfen auf keinen Fall gemacht werden?

Wir dürfen nicht zu sektoral denken und müssen unsere Scheuklappen ablegen, dürfen Ziele nicht gegeneinander ausspielen. Deswegen sollten auch Klimaschutz und Naturschutz nicht als Gegensätze gesehen werden, denn im besten Fall ergänzt sich beides.

Im Naturschutz sollten wir vielleicht nicht zu viel Aufwand, auch finanziellen Aufwand für einzelne kleine Projekte oder auch einzelne Arten betreiben, wenn relativ absehbar ist, dass der dauerhafte Effekt gering ist. Wir sollten uns auf Projekte konzentrieren, die einen längerfristigen, nachhaltigen Naturschutz anstreben und bei denen sich prognostizieren lässt, dass sie irgendwann Erfolg haben. Es geht immer um den Erhalt und Aufbau resilienter Systeme. Und das müssen nicht Systeme sein, die gar nicht mehr genutzt werden, aber sie sollten möglichst naturnah sein.

Ein Fehler wäre auch, Dinge, die unliebsam sind, nicht zu berücksichtigen. Zum Beispiel beim Thema Neuwaldbildung als CO2-Speicher. Das kann nach hinten losgehen, wenn man ein vergleichsweise artenreiches, aber vor allen Dingen altes Feuchtgrünland auf Moor umbricht, um dort Wald zu pflanzen. Dann hat man ein System zerstört, das unglaublich viel CO2 bindet.

Das ist mir wichtig: ehrlich sein, alles sehen und hören, was die Wissenschaft sagt. Wir müssen gut kommunizieren und versuchen, gemeinsam mit den Menschen vor Ort unter Berücksichtigung ihrer Interessen, Nöte und Zwänge gute Lösungen zu finden.

Was Besseres fällt mir nicht ein. Ob das reicht? Dem Klimawandel werden wir damit nur zu einem Teil begegnen können. Aber besser als nichts.