Stiftung Naturschutz

„Wir brauchen nicht mehr Geld für Forschung. Wir müssen endlich handeln!“

Interview mit Harald Förster am 02.12.2022 in der Schutzstation Wattenmeer in Husum

Vita

Ich bin Harald Förster, bin in Oldenburg geboren, 58 Jahre alt, verheiratet, habe zwei Kinder. Nach dem Abi habe ich Gärtner gelernt, in Göttingen Forstwissenschaft studiert und anschließend noch Forstwirt­schaft der Tropen und Subtropen. Nach dem Referendariat in Lüneburg war ich noch zwei Jahre in Cottbus im Garten- und Landschafts­bau/Rekultivierung tätig. Es folgten elf Jahre Afrika: In Namibia habe ich mit meiner Frau ein Wildlife-Management-Projekt mit Schwerpunkt Raubtierforschung an Geparden und Leoparden aufgebaut und elf Jahre im Ökotourismus gearbeitet. Schließlich haben wir uns mit zwei kleinen Kindern 2008 in Deutschland um Stellen beworben und ich auf die Stelle des Geschäftsführers bei der Schutzstation Wattenmeer. Wir sind 2008 nach Deutschland zurückgekehrt. Seitdem leite ich den Naturschutzverein Schutzstation Wattenmeer. Mit der Einarbeitung gab es einen Wechsel vom Ehrenamt zum Hauptamt. Damals waren es elf feste Mitarbeiter. Jetzt sind es 35 plus 100 junge Leute, die uns jedes Jahr als FÖJ- und BFD-ler:innen unterstützen. Das habe ich die letzten Jahre aufgebaut.

Wann hast du begonnen, dich für den Naturschutz zu engagieren? Was und wer hat dich beeinflusst, wann war das?

Das war Anfang der 1980er-Jahre, also schon in der Schulzeit. Ein Teil der Schüler hatte sich ein bisschen politisch engagiert. Das fing bei mir mit Anti-AKW-Demos an. Im Studium habe ich Seminare zum Thema Waldsterben und Nordsee/Wattenmeer gegeben. Das Thema Waldsterben war en vogue. Ich habe damals erzählt: „In zehn Jahren haben wir keinen Wald mehr. Das bricht zusammen.“ Dann kam der Schwenk zum Artenschutz in Afrika und dann wieder zurück zur Nordsee. Nachhaltigkeit spielte immer eine Rolle.

Wo, wann und in welcher Funktion hast du dich eingesetzt, in welchen Gebieten auf welchen Flächen, in welchen Einrichtungen, ehrenamtlich oder hauptamtlich? Welche Aufgaben hatten deine Wirkungsstätten? Was hast du dort konkret gemacht?

Konkret und aktiv habe ich erst im Studium angefangen: mit Bildungsarbeit als Förster im Bereich Wald und durch die Seminare auch im Wattenmeer. Ich habe für die Deutsche Angestelltengewerkschaft zum Thema Umweltschutz als Referent Seminare gegeben. Wir sind mit dem Plattboot auf die Nordsee gefahren und ich habe im Harz Exkursionen geleitet. Dann kam die Zeit mit der Arbeit als Referendar, als Förster. Das Thema Ökologie und Wald war gerade ganz präsent in Lüchow-Dannenberg in der Nähe von Gorleben. Die Arbeit mit der eigenen NGO elf Jahre in Afrika war auf Nachhaltigkeit und Naturschutz ausgerichtet. Die Fortsetzung fand diese Arbeit dann hier als Geschäftsführer des Vereins Schutzstation Wattenmeer. Obwohl ich im Moment nur im Verwaltungsbereich, in der Geschäftsführung bin, arbeite ich natürlich auch politisch in diversen Gremien.

Wir machen viel politische Arbeit. Es ist unser Job, dass wir die Minister oder Staatssekretäre einladen. A müssen wir den Laden finanziell am Laufen halten und B brauchen wir Unterstützung, wenn es um politische Konflikte geht.

Der Wandel entlang der Küste, bezogen auf die Akzeptanz von Nationalpark oder Biosphäre, war extrem. Wir weiten jetzt das Biosphärenreservat Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer und Halligen aus um Pellworm. Vielleicht kommt Eiderstedt noch dazu. Die negative Einstellung gegenüber der Schutzstation und gegenüber den Verbänden geht deutlich zurück. Als ich hier anfing, war so viel verfahren. Die Schutzstation durfte nicht mehr nach Pellworm, nach Föhr, nach Amrum. Die Fronten waren verhärtet. Das ist jetzt alles weg. Wir arbeiten auch gut mit den Kommunen zusammen. Unsere jungen Leute sind die Türöffner. Sie sind vor Ort im Chor, in der Theatergruppe. Das tut uns gut. Durch den persönlichen Kontakt ist auch mehr Akzeptanz gekommen.

Mit dem „Muschelfrieden“, der unter Robert Habeck geschlossen wurde, haben wir zwei Drittel oder drei Viertel des Nationalparks frei von Miesmuschelfischerei bekommen. Das war ein Riesengewinn. Es gibt jetzt viele Wattstromeinzugsgebiete, die frei von Muschel­fischerei sind. Auch wenn da die besten Bänke liegen – da kommen sie jetzt nicht mehr rein. Es gibt aber immer noch Geplänkel. Sie wollen dies und wir wollen das. Aber der Rahmen ist abgesteckt. Die Fischer haben eine klare Vorgabe und wir haben uns darauf eingelassen und jetzt ist es von allen akzeptiert. Wir treffen uns regelmäßig.

Die Austern Company importiert allerdings immer noch weiter Muscheln. Dittmeyer hat die Pazifische Auster mit eingeschleppt, sie ist jetzt überall. Und er will weiter importieren, weil das für ihn wirtschaftlich lukrativ ist. Und vor Ort die kleinen Austern zu sammeln, ist viel Arbeit. Wir vom Naturschutz werden ihn dazu zwingen. Aber der geht dann natürlich direkt an den Ministerpräsidenten und beklagt sich.

Es ist immer irgendwas zu tun, es gibt nie Ruhe, es reibt einen auch auf. Ob das nun die Adler-Reederei ist, die durch das Wattschutzgebiet fahren will, weil sie Tagesausflüge zu den Windparks anbieten oder von List aus nach Helgoland hinüberfahren will. Oder die Muschelfischer, die immer wieder mehr wollen und die wir einigermaßen im Zaum halten. Oder Tagesausflügler fahren mit ihren Schiffen zu irgendwelchen Sandbänken, wo sie nichts zu suchen haben. Oder die Krabbenfischer fahren in Null-Nutzungszonen. Das kriegen wir natürlich alles mit. Oder Tourismus: Da soll Kiten noch großflächig erlaubt werden. Jetzt bekommen wir die Befahrensverordnung zum Kitesurfen. In der finalen Abstimmung gibt es viel mehr Kite-Zonen, als wir da sehen wollen, denn die Störungen sind massiv. Die Kitesurfer-Lobby war irre vernetzt. Die haben sich direkt an den damaligen Verkehrsminister Scheuer gewandt und dafür gesorgt, dass da Dinge drinstehen, die wir nicht wollen.

Dann ist da noch die Elbvertiefung mit der Verklappung des Schlamms bei Scharhörn. Das driftet alles zu uns rüber.

Extrem beschäftigt uns momentan das Thema Prädation: Wir haben entlang der Küste kaum noch Bruterfolge bei den Austernfischern. Der Bruterfolg ist gleich Null. Nur noch auf den Halligen Oland, Langeneß, Hooge und Norderoog sehen wir Bruterfolg. 25 Prozent des Bundesbestandes der Austernfischer befindet sich hier auf etwa 1.600 Hektar, das ist nichts im Vergleich zur Fläche der Bundesrepublik. Der Oland-Damm wurde verstärkt. Dadurch gehen jetzt Füchse, Marderhunde und Dachse über den Damm und zerstören komplett die Kolonien. Und wir haben dort jetzt auch ein riesengroßes Rattenproblem. Vor 15 Jahren wurde der Damm erhöht. Dadurch ist das Vorland aufgewachsen und die Tiere können hinüberlaufen, für Füchse ist das eine Straße. Da gibt es zwar eine Fuchssperre und einen kleinen Priel, der künstlich angelegt ist, aber die Füchse laufen auf den Schienen. Das haben wir fotografiert. Dieses Problem anzugehen, kostet sehr viel Geld. Das Land hat sich im Planfeststellungbeschluss verpflichtet, dass die Maßnahme keine negativen Auswirkungen hat, und das Land muss jetzt dafür sorgen, dass die Füchse dort nicht ´rüberkommen. Da sitzt jetzt Tag und Nacht jemand in einem Wagen und verscheucht sie oder schießt sie ab.

Zu den Ratten haben wir jetzt ein eigenes Projekt mit Hunderten von Kameras, mit Drohnen, bestückt mit Infrarot-Nachtsichtgeräten, damit wir nachts sehen können, wo die Ratten entlanglaufen. Das ganze Projekt hat über 200.000 Euro gekostet und läuft noch, zusammen mit der Uni Hamburg und der Schutzstation. Wir wollen herausfinden, wie wir Ratten nachhaltig bekämpfen können ohne Einsatz von Gift.

In der Bildungsarbeit beschäftigen wir uns auch mit den Salzwiesen und Seegraswiesen. Wir haben Seegraswiesen bei List auf Sylt, aber da, wo wir unsere Führungen machen, küstennah auf den ersten 500 Metern, haben wir kein Seegras. Wir können es also nicht erlebbar machen.

Welche Programme, Richtlinien Einrichtungen, Institutionen etc. haben deine Arbeit beeinflusst, und wie beurteilst du deren Wirkung?

Grundlage war natürlich immer die eigene Sicht auf die Dinge: Was passiert im Klimaschutz? Was passiert beim Wattenmeerschutz oder Waldsterben? Ich habe sicher immer weiterverfolgt, was die Klimakonferenzen brachten, wie es da weitergeht. Jetzt haben wir hier Landesprogramme oder die Trilaterale Wattenmeer-Konferenz. Das sind Dinge, die ich gut finde, aber sie gehen nicht weit genug. Als Schutzstation sind wir immer aktiv und können auch klagen. Und wenn etwas nicht passt, gehen wir diesen Weg. Da sind die Miesmuschel-Importe, die wir erfolgreich bis zum Bundesverwaltungsgericht beklagt haben, oder die Kabeltrassen im Offshore-Bereich, die jetzt in Schleswig-Holstein anlanden. Wir haben damals mit Tennet einen Vergleich erwirkt, dass sie nicht überall mit den Kabeln hineingehen, sondern dass eine Bündelung passiert. Aktuell fordern wir, dass noch mehr nutzungsfreie Zonen entstehen.

Welche Ziele waren dir bei deiner Arbeit für den Naturschutz wichtig? Haben sich die Ziele im Laufe der Zeit verändert?

Wichtig war immer, dass wir die Menschen einbeziehen. Dass wir nicht einen Arten- oder Naturschutz machen, der die Menschen, in Afrika die Farmer und die dort lebende einheimische Bevölkerung oder hier die Landwirte, die Hallig-Bauern, außen vorlässt. Ohne die Einbeziehung, ohne die Fischer, ohne die Touristen können wir gar nichts machen. Deshalb haben wir uns als Schutzstation 1962 mit dem Grundsatz gegründet: weg vom reinen Flächenartenschutz hin zur Bildungsarbeit. Das ist unser Schwerpunkt. Wir müssen den Menschen den Lebensraum zeigen, ihr Verständnis und ihre Neugierde dafür wecken, sonst brauchen wir das Ziel Nationalpark gar nicht weiter zu verfolgen. Wir machen über 9.000 Veranstaltungen im Jahr. Damit sind wir wahrscheinlich der größte Bildungsanbieter in Schleswig-Holstein. In Afrika habe ich gelernt, dass es nicht ohne Bildungsarbeit geht. Das ist irre anstrengend, aber es ist für mich der einzige Weg und den müssen wir gehen.

Was würdest du als deinen größten Erfolg in Sachen Naturschutz bezeichnen und warum?

Da wird es persönlich. Mein größter Erfolg war, mit meiner Frau zusammen in Namibia ein nachhaltiges Bewirtschaftungssystem auf kommerziellem Farmland zu etablieren. Auf einer Fläche so groß wie Deutschland. Wir haben im Rahmen von Doktor- und Master­arbeiten mit 80 Studenten und Studentinnen ein Sustainable Wildlife-Management-System mit Hegegemeinschaften und einer Wildzählungsmethode entwickelt. Das ist jetzt zum Standard geworden. Es gibt dort jetzt Forschungseinrichtungen, die unsere Arbeit in Bezug auf die Raubtierforschung weiterführen. Das ist unser Baby und wir sind schon stolz, dass wir das gemacht haben.

Hier in Schleswig-Holstein sehe ich als meinen Erfolg an, den Verein Schutzstation Wattenmeer auf eine solide wirtschaftliche Basis gestellt zu haben. Ich habe die Betreuung der jungen Leute organisiert, viele Zentren ausgebaut und modernisiert. Das heißt nicht, dass es zu Ende ist – es gibt ganz viele neue Aufgaben. Aktuell haben wir eine Naturschutz-Datenbank gestartet. Sie heißt WANDA, Wattenmeer Naturschutz Datenbank. Das wird wegweisend sein.

Früher wurden alle Sachen, die an der Küste stattfanden, aufgeschrieben: Da liegt eine tote Möwe, hier ein verölter Vogel, dort gibt es eine Störung durch einen Kitesurfer. Oder bei den Kartierungen: Alles wurde auf Papier notiert, jahrelang archiviert und dann irgendwann herausgeholt. Mit relativ wenig Mitteln aus der Nationalparkstiftung und von Bingo konnten wir jetzt eine große, weltweit aktive Programmierungsfirma beauftragen, die uns die Datenbank aufgebaut hat. Alle Daten werden jetzt draußen digital mit Handys oder Tablets GPS-referenziert erfasst. Wenn die Mitarbeiter:innen ins Haus kommen und WLAN haben, landen die Daten in der Datenbank, werden verifiziert, eventuell noch mal auf Fehler gecheckt. So haben wir morgens aktuelle Berichte aus zigtausend Daten, die in die Betreuungsberichte einfließen. Und es gibt Schnittstellen zur Nationalparkverwaltung. Das ist ein Riesenschritt nach vorne.

Wann ist dir der Begriff Klimaschutz zum ersten Mal begegnet?

Das liegt sicher schon über 20 Jahre zurück. CO2 und wie die Erderwärmung stattfindet, war schon im Studium Thema. Aber dass es mich wirklich tiefer beschäftigt und mir bewusst wird, das ist vielleicht seit zehn Jahren so. Gewusst habe ich es vielleicht schon vor 30 Jahren. Bei unseren neuen Ausstellungen beziehen wir das Thema Klimaschutz immer mit ein. Es ist allerdings unbefriedigend, was dann tatsächlich mit dem Wissen passiert, aber wir müssen es einfach weitertreiben.

Hast du Klimaschutzaspekte bei deiner Naturschutzarbeit aktiv miteinbezogen? Wo und wann ist dir das mit welchen Maßnahmen gelungen?

Das findet sich durchgehend in meiner Arbeit. Wenn wir unseren CO2-Ausstoß anschauen, wenn wir unsere Büro-Ausstattung anschauen, sind wir zwar nicht die besten, aber wir haben über Jahre versucht, unsere CO2-Bilanz in den Griff zu kriegen. Wir fahren fast nur noch Elektroautos. Unsere jungen Leute fahren Fahrrad und bekommen dafür eine Fahrradpauschale. Wir kaufen in allen Stationen nur noch Öko-Produkte. Die BFD`s und FÖJler wohnen in WGs und wir sorgen dafür, dass sie nur Bio- und Öko-Produkte für den Haushalt kaufen. Wenn wir sanieren oder bauen, dann gebrauchen wir Kokosfasern für die Dämmung, installieren Wärmepumpen und nutzen Erdwärme. Klimaschutz wird bei allem mitgedacht. Unsere jungen Leute fordern das natürlich ein und wir wollen es auch. Bei uns im Vorstand ist auch ein Architekt, der uns unterstützt, ökologisch zu bauen.

Haben sich im Nachhinein Maßnahmen, die andere Ziele verfolgten, deiner Meinung nach als klimarelevant erwiesen?

Ja, das wird uns immer mehr bewusst. 1972 gab es das Naturschutzgebiet „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer“. Das war der gesamte Küstenstreifen vor dem Deich, die ersten 150 Meter, die Salzwiesen. Diese Salzwiesen haben wir 1972 als Schutzstation bekommen. Der Nationalpark kam erst 1985. Die ganze Salzwiesen-Diskussion mit Unterschutzstellung und aus der Nutzung nehmen hat sich im Nachhinein als gut und als der richtige Weg erwiesen. Das war uns damals nicht so bewusst. Wir haben ganz andere Interessen verfolgt: Schutz als Lebensraum für Rastvögel, aber nicht Klimaschutz. Jetzt stellt sich heraus: Das war auch für den Klimaschutz gut.

In welchen Bereichen ist die Integration von Naturschutz und Klimaschutz am besten gelungen? Was waren die entscheidenden Faktoren?

Für Schleswig-Holstein ist das eindeutig der Moorschutz. Ich bin überzeugt, dass das der richtige und wichtige Weg ist, den die jeweiligen Akteure gehen. Aber das ist nicht unser Arbeitsfeld. Wir haben kein Moor, für das wir zuständig sind. Wir sind im Bereich des Vorlandmanagements, der Salzwiesen und auch Seegraswiesen zuständig. Wir sind Teil der Wattenmeer-Strategie 2100. Es gibt eine Arbeitsgruppe aus Verwaltung, Behörden, Universitäten, Alfred-Wegener-Institut (AWI) und den Kommunen, der Insel-Hallig-Konferenz und den Verbänden. Gemeinsam haben wir überlegt, wie wir den Problemen begegnen: Wie können wir dem Klimawandel und dem Meeresspiegelanstieg entgegen­wirken? Wie können wir die Sedimentation erhöhen, damit das Anwachsen der Halligen und der Meeresspiegelanstieg einigermaßen im Gleichgang passieren und die Situation nicht aus der Balance gerät. In der Arbeitsgruppe sind wir auch weiter beteiligt. Wir sind darüber hinaus in verschiedenen Kommissionen: im Programm Halligen 2050, im Kuratorium der Nationalpark-Stiftung, usw..

In welchen Bereichen ist die Integration von Naturschutz und Klimaschutz am besten gelungen? Was waren die entscheidenden Faktoren?

Das war uns anfangs gar nicht bewusst. Es war ein Zusammenspiel zwischen den ganzen Playern des Naturschutzes. Erst in den letzten Jahren wurde uns klar, welche Rolle der Naturschutz für den Klimaschutz hat. Bis dahin haben wir Klimaschutz immer nur mit unseren Autos und mit Kraftwerken in Verbindung gebracht, aber nicht mit Naturschutz.

Und in welchem Bereich hat das Einbeziehen der Klimaschutzaspekte gar nicht funktioniert? Und woran lag das: am fehlenden Wissen/Bewusstsein, an Sachzwängen oder an den handelnden Personen?

An den handelnden Personen, am politischen Willen. Das Wissen ist da.

Wir hatten jetzt in Wilhelmshaven die Trilaterale Wattenmeer-Konferenz. Vertreter:innen des Bundesumweltministeriums wollten Geld für Forschung zur Verfügung stellen. Da meldete sich eine radikale Stimme: „Wir brauchen nicht mehr Geld für Forschung. Wir wissen alles und wir wissen es schon lange. Wir müssen endlich handeln.“ Es geht nicht darum, 20 Millionen für die Forschung zu kriegen. Und dann? Noch mal fünf Jahre ´rauszuschinden, bevor man handeln muss? Wir wissen genug. Wir wissen, wo es hinläuft, wir müssen einfach handeln. Und alle müssen an einem Strang ziehen. Nicht nur die Grünen, sondern auch die CDU. Die SPD ist inzwischen so weit und würde handeln. Es muss konsequent etwas getan werden! Im Wattenmeer müssen Null-Nutzungszonen eingerichtet werden und anderes mehr, Thema Sedimentation. Es ist einfach frustrierend, wenn man merkt, dass trotz des ganzen Wissens keine Entscheidungen herbeigeführt werden.

Gibt es, wenn du auf die einzelnen Projekte zurückblickst, Dinge, die du heute in Bezug auf den Klimaaspekt anders machen würdest?

Sicher würde ich einige bauliche Sachen anders machen. Ich bin für die Infrastrukturen zuständig. Gut aufgestellt sind wir in unserer Bildungsarbeit und da werden wir in Zukunft noch stärker den Klimawandel mit einbeziehen. Wir haben eine Zeit lang das Thema „Müll im Meer“ gehabt. Eine Wattwanderung war eine Wattwanderung, aber gleichzeitig haben wir immer auf Müll aufmerksam gemacht und jedem unserer 300.000 Gäste ein Stück Müll in die Hand gedrückt und gesagt: „Da vorne ist eine Box. Helft mit.“ Und jetzt muss das Thema Klima noch mehr in die Bildungsarbeit einbezogen werden. Wir werden es in alle Ausstellungen und Führungskonzepte einbauen, das geht in die Richtung: „Nutzt mehr den ÖPNV.“

Wie sieht für dich erfolgreicher Naturschutz verbunden mit Klimaschutz in Zukunft aus, und wo siehst du die Grenzen des Zusammenwirkens von Natur- und Klimaschutz?

Wir von der Naturschutzseite werden es sehr gut schaffen, das Thema Klimaschutz in die Arbeit zu integrieren. Wir werden unsere Veranstaltungsangebote, unsere Ausstellungen mit dem Thema füllen und werden es mit unseren jungen Leuten ganz gut vermitteln können. Denn die sind mit hohem Engagement dabei. Aber die Rahmenbedingungen müssen passen, zum Beispiel, dass ÖPNV vorhanden ist oder dass der politische Wille besteht, hier an der Westküste etwas an den Strukturen zu verändern. Das ist sehr zäh. Da wünsche ich mir entschiedeneres Handeln. Da kommen wir an unsere Grenzen. Ich kann ja nicht einfach sagen: „Wir schließen diesen Bereich“, oder „wir machen hier wirklich nur Naturschutz“, oder „wir lassen mal die Salzwiese wachsen.“

Welche Ziele und Herangehensweisen hältst du in diesem Zusammenhang für realistisch?

Für realistisch halte ich, dass wir das peu à peu umsetzen und in unsere Arbeit implementieren. Mir geht das zu langsam, aber mir fehlen die Mittel, um es schneller umzusetzen. Ich bräuchte sicherlich noch vier bis fünf Stellen im Bildungsbereich und im Marketingbereich entlang der Küste, um das erfolgreich zu implementieren. Das wären Stellen für die Bildungs- und Klimaschutzarbeit: zum Beispiel für die Umgestaltung der Zentren oder für neue Bildungskonzepte oder Schulungen von Mitarbeitern. Das haben wir so schon kommuniziert. Mal gucken, was passiert.

Da wir unsere Stellen oft durch die Veranstaltungen finanzieren oder über Projekte, müssen wir tatsächlich überlegen, ob wir ein paar Stationen schließen, weil sie sich wirtschaftlich nicht tragen. Da bräuchten wir Unterstützung von Landesseite. Wir machen die Bildungsarbeit oder Naturschutzarbeit im Auftrage des Landes, also für das Land. Wir bekommen vom Land 450.000 Euro und es kostet uns zwei Millionen Euro. Die Differenz müssen wir durch eigene Veranstaltungen und über Projekte erwirtschaften. Wir nehmen von den Stationen, die viel erwirtschaften, etwas weg und halten damit z.B. die Stationen auf Nordstrand, Pellworm, Friedrichskoog am Leben. Diese Stationen erwirtschaften 30.000 Euro, kosten aber 80.000 Euro. Um sie trotzdem zu behalten, schichten wir das Geld um, was schön ist, aber damit kommen wir an die Grenze.

Welche Fehler dürfen auf keinen Fall gemacht werden?

Prinzipiell zu resignieren. Je älter man wird, desto frustrierter wird man. Aber wir dürfen nicht resignieren. Gerade unsere jungen Leute sind so engagiert. Wenn ich da ankäme und sagen würde: „Das hat alles keinen Zweck mehr“ – das wäre fatal. Auch wenn wir nur ganz wenig erreichen, dürfen wir den Mut nicht verlieren. Das ist eine Mammutaufgabe.

Und wir dürfen natürlich nie wieder zulassen, dass im Nationalpark Öl gebohrt wird. Wenn RWE oder Wintershall neue Explorationsgebiete erforschen möchten, muss das verhindert werden. Es ginge um die Versorgung der Bundesrepublik für einen halben Tag im ganzen Jahr. Darüber sprechen wir. Oder CCS, die CO2-Speicherung im Nationalpark – auch da müssen wir aufpassen. Gerade jetzt durch den Krieg versuchen viele, etwas in diese Richtung zu unternehmen. Wir sind immer wieder gefordert.