Stiftung Naturschutz

„Wir können der Natur helfen – tun wir es doch!“

Interview mit Dr. Kuno Brehm am 03.02.23 in Emkendorf

Vita

Ich bin Jahrgang 1939, geboren in Pommern. Geflüchtet 1945 mit der sechsköpfigen Familie, die auf verschiedenen Wegen ins Hannoversche gekommen ist. Der Vater war Preußischer Forstmeister in Pommern und versuchte vergeblich, hier eine Stelle im Westen zu bekommen. Also wurden wir in eine Revierförsterei einquartiert. Das war das Prägende für mich, zusammen mit meinen Geschwistern draußen in der Natur aufzu­wachsen. Meine Eltern waren sehr großzügig, sie gewährten uns Freiheit in der Gestaltung unseres Tagesablaufs. Dazu gehörte die Schule, aber auch das Freizeitleben mit meinen Geschwistern. Besonders mit meinem drei Jahre älteren Bruder hatte ich eine sehr starke Verbindung in Sachen Natur.

Meine erste Veröffentlichung: 1957 über eine Schwarzstorchbrut im hannoverschen Land. Nach dem Abitur 1959 habe ich das Studium der Fächer Biologie, Chemie, Physik in Kiel begonnen. Für das Staatsexamen musste man auch noch Philosophie und Pädagogik belegen und das Philosophikum ablegen. Zwischendurch war ich für ein Semester in Freiburg, um wenigstens ein Mal ´rauszukommen. In der Studienzeit in Kiel habe ich über mehrere Jahre die Fachschaft Biologie vertreten. Im Übrigen erforderte das Studium Zeit und Initiative, denn auf der altsprachlichen Schule, die ich besucht hatte mit Latein bis zum Abitur, hatte ich von Chemie und Physik wenig mitbekommen. Ich bin dann für das Staats­examen und in Hinblick auf meinen späteren Beruf in der Wissenschaft zweigleisig gefahren. 1967 habe ich das Studium in Kiel mit Promotion und Staatsexamen – das war damals mit derselben Arbeit möglich – abgeschlossen. Mein Dissertationsthema lautete „Kationenaustausch bei Torfmoosen“. Anschließend war ich zwölf Jahre als wissen­schaftlicher Mitarbeiter und Assistent am Botanischen Institut tätig und wollte in Richtung Moosvegetation weiterforschen: wie produktiv Moose sind, was sie leisten können. Aber dann schwenkte das gesamte Institut auf Molekularbiologie um, das war mir zu weit weg von der Natur. 1979 bin ich mit einem verkürzten Referendariat in den Schuldienst gegangen und habe 23 Jahre am Gymnasium in Rendsburg unterrichtet. Ich habe noch heute viele Kontakte zu ehemaligen Schülern.

Die vorgezogene Pensionierung mit Gehaltsabzug habe ich ein Jahr früher beantragt, nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern weil man das Leben nur einmal hat. Ich bin jetzt genau zwanzig Jahre Pensionär und fühle mich zusammen mit der Familie und meiner Frau äußerst wohl. Als Ruhegehaltsempfänger möchte ich betonen, dass es uns wichtig ist, ein wenig von der finanziellen Sicherheit, die wir haben, an die Gesellschaft zurückzugeben. Meine Frau arbeitet bei der Tafel im Nachbardorf und ich mache hier mit großem Engagement diese Naturschutzsachen. Ich habe ja viel Erfahrung und denke, dass ich davon einiges weitergeben kann.

Wann haben Sie begonnen, sich für den Naturschutz zu engagieren? Was oder wer hat Sie beeinflusst? Wann war das?

Das Aufwachsen im Grünen hat mich geprägt. Mit meinem älteren Bruder habe ich eine Einheit gebildet. Von ihm habe ich viel gelernt, er war der Motor für mich. Im Studium musste ich vieles lernen, was andere schon längst mitbekommen hatten. Ich wusste nicht, was ein Ion ist. Ich musste mich auf den Lernstoff konzentrieren und war sehr wissbegierig.

Den Einstieg in den aktiven Naturschutz habe ich nach dem Examen 1967 gemacht über Dr. Günther H.J. Schmidt. Er ist Vogelkundler in Schleswig-Holstein. Wir haben zusammen Gebiete in Schleswig-Holstein erkundet und vieles in Gang gebracht, was wir für wichtig hielten. Wir haben eine Initiativgruppe, die Vogelkundliche Arbeitsgruppe Schleswig-Holstein (VAG) gegründet, die sich nicht nur um reine Vogelbeobachtung gekümmert hat, sondern etwas in der Landschaft verändern wollte und die überlegte, welche Leute man ansprechen muss, um das zu erreichen. Später haben wir unsere Aktivitäten zurückgeschraubt und 1974 den Verein „Unabhängiges Kuratorium Landschaft Schleswig-Holstein“ gegründet. Nächstes Jahr wird der Verein fünfzig Jahre alt. Ich war immer im Vorstand aktiv, und wir haben auch hier versucht, nicht nur Vogelkunde zu betreiben, sondern in der Landschaft etwas zu verändern. Wir fühlen uns zuständig für das Landschaftspflegegesetz von 1973, nach dem viele Lebensräume unter Schutz gestellt wurden: Moore, Sümpfe, Heiden, Brüche usw.. Wir haben sehr viel und konstruktiv mit Landtagsabgeordneten zusammengearbeitet: Im ‚Kieler Kaufmann‘ haben wir zusammengesessen, sie haben für uns arme Schlucker bezahlt und wir haben uns für den Naturschutz stark gemacht. Das sehe ich als Anfang meiner Naturschutzarbeit an.

Wo, wann und in welcher Funktion haben Sie sich eingesetzt? In welchen Gebieten, auf welchen Flächen, in welchen Einrichtungen, ehrenamtlich oder hauptamtlich? Was waren die Aufgaben Ihrer Wirkungsstätten. Was haben Sie dort konkret gemacht?

1967 habe ich Kontakt mit den verschiedensten Gruppierungen, die so ähnlich orientiert waren, aufgenommen. Zuerst habe ich im Verein Jordsand mitgemacht, weil die schon Schutzgebiete hatten. Im Hauke-Haien-Koog an der Westküste habe ich als Referent für den Verein Jordsand für fünf Jahre die Betreuung übernommen. Ich war immer etwas progressiv in meinen Vorstellungen, was man da machen könnte, habe aber dann Widerstand von Seiten des damaligen Hauptdeich- und Sielverbandes erfahren. Das ging so weit, dass ich gesagt habe: „Das hat keinen Zweck. Macht dann mal den Kram in Eurem Stil.“ Auch die große Entfernung über hundert Kilometer war mir zu viel und ich habe das aufgegeben.

Dann bin ich mit dem Naturschutzbund (NABU) eine Liaison eingegangen. Der hatte ein paar Gebiete, die mich besonders interessierten. Das waren die Löwenstedter Sandberge oben in Nordfriesland, eine kleine, 16 Hektar große Binnenlandheide. Ich hatte Erfahrung in der Heidepflege, weil ich 1962 im Auftrag der Landesstelle für Vegetationskunde während des Studiums die Süderlügumer Binnendünen und die Sorgwohlder Binnendünenheide bei Professor Ernst-Wilhelm Raabe kartiert hatte. Auch wenn das Gebiet sehr klein war, war es eine Herausforderung.

Für mich ist Landschaftspflege wichtiger geworden im Laufe der vielen Jahre. Für die Landschaft muss man sich bestimmte Ziele setzen, die man verwirklichen will. Dafür sind Maßnahmen erforderlich. Das ist praktische Arbeit, nicht nur Theorie. In den 1970er-Jahren wollte ich mich mit der Arbeitsgemeinschaft Geobotanik dem Thema annehmen, aber die Arbeitsgemeinschaft hatte eine etwas andere Auffassung der Dinge. Ich will die Landschaftspflege wirklich als Pflege sehen und nicht so akademisch. Sehen, was mit den Maschinen machbar ist und es selber machen. Ich habe mich damit beschäftigt, wie die Maschinen funktionieren und welche Methoden man anwenden kann. Professor Raabe und ich hatten dazu gravierende Meinungsunterschiede. Es war nicht sein Metier und ich wollte Pflege machen… Die Heide war schon sehr alt, als ich in den 1970er-Jahren anfing. Die Maßnahme, die anstand, war, sie zu verjüngen. Ging das wirklich, dass wir die Pflanzen abschnitten und würden sie wieder wachsen? Da muss man erst mal sicher sein, dass das auch funktioniert. Das war ein Einfuchsen und Einarbeiten. Dann wanderte die Traubenkirsche ein, der ich mit einer Beweidung mit Schafen begegnete. Das wurde nach wenigen Jahren weggeredet: „Schafe in der Heide, was soll das denn? Was ist das für ein Quatsch.“ Ich hatte das mit einem ortsansässigen Schafhalter in Löwenstedt organisiert und es war wunderbar angelaufen. Ehrenamtlich hatte ich eine Umzäunung gebaut, die nach ein paar Jahren wieder zurückgebaut wurde: „Sieh mal zu, wie du die Heide pflegst auf Maschinenbasis.“ Dann haben wir eben mit Maschinen gearbeitet und die Vegetation kartiert und aktiv verfolgt, was passiert. Wir hatten genug zu tun und es ist ganz gut gelaufen. 2019 habe ich es nach 40 Jahren in andere Hände vergeben.

Welche Programme, Richtlinien, Einrichtungen, Institutionen etc. haben Ihre Arbeit beeinflusst, und wie beurteilen Sie deren Wirkung?

Meine Meinung ist nicht immer so ganz konform mit den Meinungen anderer Leute. Es gibt und gab immer diese Stimmen: „Laissez-faire! Lass doch die Dinge laufen.“ Besonders das, was vom Landesamt 1973/74 kam: „Es ist doch Natur. Lassen Sie es doch wachsen! Was wollen Sie da machen?“ Das ist eine Auffassung, die meiner Meinung nach unverantwortlich ist. Wir sollten Landschaften so erhalten, dass sie möglichst eine große Vielfalt an Fauna und Flora beherbergen, ernähren und erhalten können. Wenn wir das alles sich selbst überlassen würden, hätten wir heute in den Mooren, die wir bearbeitet haben, überall Birkenwald und in den Heiden, zum Beispiel in Sorgwohld, einen Mischwald aus Eichen mit einem Unterwuchs von Traubenkirsche. Um 1990 hatte ich großen Ärger, als ich da mal ein paar junge Eichen weggenommen habe.

Aus meinen Erfahrungen in der Schulzeit im Hannoverschen weiß ich, was in einem Moor zu Hause war. Wir sind im Frühjahr zur Birkhahnbalz gefahren und im Herbst haben wir die Hirsche röhren sehen. Ich habe die Brachvögel, den Feldschwirl und was alles an Tieren auf Moor und Heide lebte, beobachtet. Ich habe in den 1950er- und 1960er-Jahren den ‚Wandel vom Birkwild zum Birkenwald‘ erlebt. Bis man das begreift in aller Konsequenz, dass diese Birken eine andere Entwicklung anzeigen, die konträr zu der bisherigen war. Die Brutvogelwelt, die Insektenwelt und die Vegetation werden völlig umgestellt. Ich habe versucht, etwas von dem, was noch da war, zu retten. Als Rahmenbedingung dafür war das Naturschutzgesetz 1973 ein ganz entscheidender Schritt.

Klimaschutz ist ein gutes Vehikel, mit dem man etwas erläutern kann, damit die Leute etwas vom Naturschutz begreifen. Nur um der Piepmätze, der Insekten oder der komischen Moorpflanzen willen kann man Leute nicht von Naturschutzmaßnahmen überzeugen.

Welche Ziele waren Ihnen bei Ihrer Arbeit für den Naturschutz wichtig? Haben sich die Ziele im Laufe der Zeit verändert?

Meine Ziele habe ich im Wesentlichen beibehalten. Im Studium habe ich mich mit der Ernährungsphysiologie der Hochmoorpflanzen beschäftigt und sehe die Zusammenhänge und wie das Ganze funktioniert. Dadurch habe ich gewisse Voraussetzungen und kann mich auf meine Meinung verlassen. Es hat sich gezeigt, dass sie sich bewährt. Mein Ziel war, die Vielfalt an Lebensformen, die in einem gegebenen Gebiet vorkommen konnten, weiterhin zu ermöglichen. Das wird für manchen sehr antiquiert klingen, aber alles, was da ist, jedes Tier, jede Pflanze hat ja irgendeine Grundlage. Ich kann da etwas machen, indem ich versuche, die Grundlagen zu erhalten oder wiederherzustellen: im Moor das Wasser wieder anzuheben, die Heide wiederherstellen, sodass die Insekten wieder Nahrung finden. Also mache ich es. Das Prinzip werde ich beibehalten.

Was würden Sie als Ihren größten Erfolg in Sachen Naturschutz bezeichnen und warum?

Ich mag nicht gerne von Erfolg sprechen, aber ich finde es schon gut, dass überhaupt einiges von dem, was mir vor Jahrzehnten vorschwebte, in Gang gekommen ist. Allerdings gegen unglaubliche Hemmnisse. Einen durchschlagenden Erfolg sehe ich nicht. Es ist ein Kleinkampf um jedes bisschen. Als Beispiel: Das Moor, das Sie sich ausgucken, ist in hunderte kleine Grundstücke von einem halben Hektar oder noch weniger parzelliert. Man kommt einfach nicht gegenan. Die letzten drei, die eine Maßnahme verhindern wollen, die können sie verhindern. Das ist unser größtes Handicap. Jemanden, der nicht will, können Sie nicht überzeugen, auch nicht mit dem Klima-Argument. „Nich in min Tied,“ lautet der Hauptspruch der Gegenseite. Was die nächste Generation macht, ist manchen dann egal. Aber die nächste Generation abwarten, heißt wieder, Jahrzehnte zu warten, bis es losgehen kann.

Brachvogel, Bekassine oder Goldregenpfeifer holen Sie nicht zurück, wenn sie nicht mehr da sind. Die müssen Sie versuchen, im Gebiet zu halten. Ich sehe keine richtigen Durch­brüche. Es wird genörgelt, gemosert und gemeckert und dann kommen noch die Leute, die sagen „Laissez-faire. Lass doch wachsen.“ Diese Argumente sammeln dann die Leute, die sie brauchen.

Es gibt schon persönliche Erfolge, über die ich mich freue: In den Gebieten, die wir pflegen, sehe ich positive Veränderungen. Aber die Erfolge sind gering.

Wann ist Ihnen der Begriff Klimaschutz zum ersten Mal begegnet?

Ich habe mich zum ersten Mal 2009 gründlich damit befasst und versucht, meine Erkenntnisse, dass die Torfbildung etwas an Treibhausgasen festsetzen kann, zusammenzufassen. 2009 habe ich Mengenberechnungen in der NABU-Zeitschrift veröffentlicht. Das war für mich der Anfang. Ich will nicht so tun, als ob ich das schon immer gewusst hätte.

Haben Sie Klimaschutzaspekte bei ihrer Naturschutzarbeit aktiv miteinbezogen? Wo und wann ist Ihnen das mit welchen Maßnahmen gelungen?

Rückblickend kann ich sagen, dass wir 1977 im Hartshoper Moor angefangen haben. Das war damals eine Revolution, dass da Leute ins Moor gehen. Es gab eine Absprache mit dem Eigentümer, dem Bürgermeister, dass man auf der Fläche Bäume, die die Fläche beschatten und Wasser wegnehmen, entfernen kann. Das war damals völlig neu, aus der Sicht von Dr. Eigner aus dem Landesamt allerdings absurd.

Im Nachhinein ist das ein Erfolg, dass sich das weiterentwickelt hat. Schon Anfang der 1980er-Jahre haben wir den Einstau versucht. Wir haben Folien um eine Parzelle herum eingezogen. Dr. Peter-Uwe Conrad aus dem Ministerium hat uns geholfen. Wir haben Zehntausende von D-Mark bekommen, um die Maßnahmen durchzuführen. Auch die Verwallungen im Wilden Moor zu baggern, hat irrsinniges Geld gekostet. Obwohl das Landesamt ständig dagegen gemeckert hat, hat sich Herr Dr. Conrad durchgesetzt, weil er das für vernünftig hielt. Durch den Wassereinstau innerhalb der Fläche haben wir einen Wasserberg erzeugt. Auch auf einer begrenzten Fläche kann man etwas tun. Das war beeindruckend, aber es hat leider nie richtig gezündet, weil das Landesamt dagegen war. Unsere hauptsächliche Motivation war dabei aber nicht der Klimaschutz, sondern wir wollten die Vögel und die Vegetation erhalten. Auf der Parzelle brüteten zwei Paare der Sumpfohreule und auch das Birkhuhn und der Brachvogel. Letztere wollen es offen haben, die wollen gucken, ob der Fuchs kommt.

Haben sich im Nachhinein Maßnahmen, die andere Ziele verfolgten, Ihrer Meinung nach als klimarelevant erwiesen?

Der große Start war für mich in den 1970er-Jahren, als ich das Fockbeker Moor und das Wilde Moor in Gang gebracht habe. Ansätze, von denen ich dachte, dass sie sich über Schleswig-Holstein ausbreiten würden. Damals kamen 150 Leute zu Arbeitseinsätzen und haben uns geholfen, die Birken herauszuziehen. Wir haben es sich so schön entwickeln sehen. Finanziell wurde es gefördert. Aus unserer Sicht war das Naturschutz. Im Nachhinein betrachtet haben wir auch dem Klimaschutz geholfen.

In welchen Bereichen ist die Integration von Naturschutz und Klimaschutz am besten gelungen? Was waren die entscheidenden Faktoren?

Klimaschutz kann man ja nur in den Mooren betreiben. In den Heiden, die wir gepflegt haben, spielt das nicht so eine Rolle. Im Nachhinein besehen haben sich die Projekte in den Hochmooren auch immer im Sinne des Klimaschutzes entwickelt, ohne dass wir uns das auf die Fahnen geschrieben haben. Auf Niedermooren ist es ein bisschen anders als auf Hochmooren. Auch da spielt die Verbesserung des Wasserhaushalts eine Rolle, aber Hochmoore haben immer ihren eigenen Wasserspiegel, wohingegen Niedermoore definitionsgemäß noch den Grundwasserspiegel haben. Das ist natürlich auch ein grundsätzlicher Unterschied in der Pflege und in der Bedeutung für den Klimaschutz.

Im Laufe der Zeit habe ich noch weitere Gebiete dazugenommen, zum Beispiel Wennebek für den NABU. Vom Kuratorium aus haben wir uns finanziell selbstständig gemacht, damit wir andere Flächen schwerpunktmäßig betreuen konnten. Das sind die Sorgwohlder Binnendünen, die wir seit ungefähr 1977 in Arbeit haben, eine 30 Hektar große Fläche hier bei Rendsburg.

Wir sind in den 1970er-Jahren in die Moore und Heiden gegangen, also in die Gebiete, die seit 1973 geschützt werden sollten. Sie einfach wachsen zu lassen, war nicht meine Idee. Es ist doch offensichtlich, dass man dafür etwas tun muss. Wir haben unsere Aktivitäten auf das Hartshoper Moor gerichtet, zunächst sieben Hektar gepachtet und später gekauft und haben die Pflege in Gang gebracht. Wir haben im Wilden Moor bei Rendsburg, im Fockbeker Moor, im Moor bei Boksee im Kreis Plön und im Koberger Moor im Kreis Herzogtum-Lauenburg die Arbeiten aufgenommen. Es sind ungefähr fünfzehn bis zwanzig Projekte, die laufen.

Es war immer erforderlich, dass der Grundeigentümer und die Behörden den Maßnahmen zustimmen. Da gibt es immer Hemmnisse. Ich habe aber zum Beispiel im Wilden Moor erfahren, dass man trotzdem etwas schaffen kann. In den 1980er-Jahren habe ich den Landrat persönlich ins Wilde Moor gebeten und wir haben das zusammen angeguckt. Der Landrat hat daraufhin den Maßnahmen zugestimmt und alle Eigentümer, es waren über einhundert, mit einem von mir entworfenen Schreiben durch die damalige Untere Landschaftspflegebehörde (ULB) anschreiben lassen. Bis auf eine Handvoll haben alle mehr oder weniger aktiv zugesagt. Ein paar waren dagegen. In den 1980er- und 1990er-Jahren habe ich noch mal angesetzt und den Bürgermeister von Rendsburg, Rolf Teucher kontaktiert. Rendsburg war für das Wilde Moor als Verwaltung zuständig. Ich bat ihn, alle Mooreigentümer noch einmal anzuschreiben und sie zu fragen, ob sie irgendwelche Nachteile darin sehen, dass die Pflegemaßnahmen im Wilden Moor angefangen hatten. Am Ende blieben ein, zwei Leute dabei, dass sie das nicht wollten, aber letztlich haben auch sie niemals den harten Gerichtsweg angestrebt. Ich habe dann selbst auf den Grundstücken der stursten Landwirte arbeiten und die Flächen mit einbeziehen können. Zweihundert Hektar zusammenzufügen in so einem zerstückelten Moor mit so vielen Eigentümern, ist schon eine Schwierigkeit. Es hat aber geklappt und auf der Basis Mitte der 1990er-Jahre, das ist jetzt 30 Jahre her, kann ich im Wilden Moor mit den Eigentümern wunderbar arbeiten. Wir haben auch ein gutes Verhältnis zum Wasser- und Boden­verband. Die finden gut, was wir machen, kassieren aber die alljährlich anfallenden Gebühren.

In den 1990er-Jahren kam auch der Stadtkämmerer Bernd Tybussek mit zwei, drei weiteren Leuten ins Wilde Moor, um sich das mit uns anzuschauen. Zum Schluss sagte er: „Hier, Herr Brehm, können Sie Naturschutz machen.“ Was will ich mehr? Auf diese Weise kann man die Leute erreichen, man muss nur ein Beispiel liefern. Wir haben einen Ausguck gebaut, damit Besucher über das Moor schauen können und sehen, wie gut das ist. Und ich höre immer mal wieder: „Ich finde es gut, was Sie da machen.“ Das mögen sie vielleicht nicht so vor ihrer eigenen Klientel sagen, aber hinter vorgehaltener Hand schon. Das ist zumindest eine Basis, auf der man arbeiten kann.

In welchen Bereichen hat das Einbeziehen der Klimaschutzaspekte gar nicht funktioniert? Woran lag das? Am fehlenden Wissen/Bewusstsein, an Sachzwängen oder an handelnden Personen?

Es liegt ja auch an der Sache. Man kann ein Moor nicht so richtig gut entwickeln. Es ist begrenzt, und im Randbereich – wie wollen Sie da arbeiten? Da haben Sie Einschübe und hier und da eine Nutzparzelle. Das sind die Einschränkungen, die bleiben. Insgesamt gesehen ist es ein großes Hindernis, dass Sie immer an die Grundstücksgrenzen gebunden sind. Und jenseits haben Sie nichts zu suchen und zu sagen. Da ist der Wasser- und Bodenverband und da ist der Eigentümer.

Gibt es, wenn Sie auf einzelne Projekte zurückblicken, Dinge, die Sie heute in Bezug auf den Klimaaspekt anders machen würden?

Ich sehe keine Veranlassung, die Prinzipien zu verändern: Ich will den Wasserstand im gesamten Moorbereich, so gut es geht, anheben, alles möglichst zusammenhängend. Das ist das A und O. Und ich will alles unterbinden, was unnötigerweise Wasser verdunstet. Das ist nun mal die Baumvegetation, die dort steht und in den Sommermonaten die Trocknungsanlage für das Moor darstellt. Von Natur aus ist dieses aufgewölbte Hochmoor ein Wasserbehälter, ein Wasserberg. Das Wasser muss in diesem Körper, so gut es irgend geht, erhalten werden. Und ein Baum braucht unglaublich viel Wasser. Ich habe mit kontinuierlichen, über 20 Jahre laufenden Messungen nachgewiesen, dass wir das Wasser im Moor lassen müssen und den Bäumen nicht erlauben dürfen, dieses Wasser zu verdunsten, genauso wenig, wie es natürlich zu den Seiten herauslaufen darf. Auch das muss man unterbinden. Ich sehe im Gegensatz zur Auffassung des Landesamtes nicht ein, dass man den Baumbewuchs dulden sollte. Jeglicher Wasserverbrauch auf der Fläche muss, so gut es irgend geht, verhindert werden.

Wie sieht für Sie erfolgreicher Naturschutz verbunden mit Klimaschutz in Zukunft aus, und wo sehen Sie die Grenzen des Zusammenwirkens von Natur und Klimaschutz?

Das Wasser so gut wie möglich, und so schwierig das auch ist, im Moor zu halten, ist das A und O. Dann bildet sich wieder Torf an einzelnen Stellen. Allerdings ist in der Bilanz die Summe der kleinen Flächen, die hier und da inzwischen wieder Torf bilden, verschwindend klein.

Im Dezember 2022 ist die Auswertung der letzten Biotopkartierung mit interessanten Zahlen erschienen. In Schleswig-Holstein haben wir 350 Hektar mit Bulten und Schlenken wachsendes Hochmoor. Die Flächen produzieren inzwischen wieder Torf, ungefähr einen Millimeter pro Jahr. Demgegenüber stehen 12.000 Hektar trockenes Hochmoor, die pro Jahr einen Zentimeter Torf abbauen und CO2 freisetzen. Das heißt: Mit 350 Hektar der wachsenden Moorflächen in Schleswig-Holstein können wir 35 Hektar austrocknende, mineralisierende Torfflächen ausgleichen. Um alles auszugleichen, bräuchten wir das Zehnfache von 12.000 Hektar, also 120.000 Hektar wüchsigen Hochmoores. Wir hatten mal 140.000 Hektar Hochmoor in Schleswig-Holstein. Wir müssten ganz schnell versuchen, die Flächen der wachsenden Hochmoore zu vergrößern. Das wird nicht gelingen. Es ist ein Versuch und wir können gut mit dem Argument des Klimaschutzes hausieren gehen, aber es ist aussichtslos. Noch dazu glaubt der Normalbürger, dass er dann wieder fahren kann: „Ich produziere hier CO2, aber im Moor verschwindet das doch alles wieder.“

Dass wir durch unsere popeligen Moorreste an eine CO2 -Senke in so einem Umfang herankommen, das dürfen wir anderen nicht vormachen. Das ist Quatsch.

Welche Ziele und Herangehensweisen halten Sie in diesem Zusammenhang für realistisch?

Durch geeignete Maßnahmen, auch ohne mit dem Klimaschutz zu argumentieren, können wir Lebensräume erhalten, die bestimmten Pflanzen wie Sumpf-Bärlapp oder Sonnentau und Tieren wie Carabus clathratus, dem Ufer-Laufkäfer auch unter den jetzigen Umständen ein Überleben ermöglichen. Das können wir erreichen.

Für das Klima werden wir so nichts erreichen können. Wenn wir die Torfmoose ins Wachsen kriegen, sodass sie Torf bilden, kann der sich jederzeit wieder verflüchtigen, wenn die Klimabedingungen sich verändern. Es wird wärmer und dann verschwindet der Torf. Wir müssten diese organische Masse in elementaren Kohlenstoff überführen. Elementarer Kohlenstoff ist inert, den frisst kein Bakterium. Wenn wir das Klima wirklich verändern wollen, müssten wir das CO2 schon anders festlegen oder gar nicht erst produzieren.

Biophysiker sagen, es gebe im Untergrund große Bereiche, in die CO2 hineinzuverpressen sei. Dadurch könnten Karbonate erzeugt werden, die das CO2 festlegen. In tausend Meter Tiefe – damit wäre es aus der Atmosphäre.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch etwas sagen, das mich bedrückt: Ich war gerade zwei Tage mit einer Arbeitsgruppe aus Hamburg im Moor. Wir sind patschnass geworden, aber die jungen Leute waren hochmotiviert. Auch morgen geht's wieder ´raus. Um das anfallende Holz und Buschwerk wegbringen zu können, haben wir einen Schredder besorgt. Außerdem braucht man geeignete Fahrzeuge, die auf nassen Wiesen fahren können. Das alles kostet Geld, nicht nur für den Sprit, sondern auch für das Leihen der Maschinen. Ich bezahle das alles aus der Vereinskasse. Wir werden so kümmerlich mit Geld bedacht.

Im November 2021 hatte uns Dr. Berthold Pechan aus dem Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur auf der Jahrestagung des Landesnaturschutzverbandes berichtet, es würden für die nächsten zehn Jahre 950 Millionen Euro für das Moor-Thema bereitgestellt, von der EU, von Deutschland und vom Land. Ich höre gar nicht, wo das Geld bleibt. Wenn wir mal etwas für Sprit oder das Leihen einer Maschine benötigen, bekommen wir Absagen. Beim Kreis haben sie einen kleinen Topf mit 20.000 Euro Windersatzgeldern, den wir für Maßnahmen anzapfen. Ich frage mich, wo die 95 Millionen für das Jahr 2022 geblieben sind. Die Stiftung hat ein paar Planstellen eingerichtet und hier und da Gutachten vergeben. Aber wir, die draußen arbeiten, würden uns über einfachere Wege freuen: zum Beispiel einen Pauschalbetrag, von dem wir unsere Maßnahmen bezahlen könnten, ohne das ein Jahr vorher beantragen zu müssen. Ich kann keinen großen Verwaltungsaufwand betreiben und mache das selbst für Null, aber ich muss doch die Leute und Maschinen bezahlen. Es läuft nicht so richtig rund mit dem Geld.

Welche Fehler dürfen auf keinen Fall gemacht werden?

Die Dinge einfach laufen zu lassen. Ob Klimaschutz oder Naturschutz als Hauptargument genommen wird – Nichtstun ist das Schlimmste. Das ist zwar das Einfachste, und vielen Leuten wäre es recht, aber es ist unverantwortlich. Wir Menschen haben doch eine Verantwortung für die Natur. Wir haben so viel Verstand und Einfühlungsvermögen. Wir können der Natur helfen. Deswegen sage ich: „Tun wir es doch!“