Stiftung Naturschutz

„Aufgeben ist keine Option“

Interview mit Michael Packschies am 04.11.2022 in Eckernförde

Vita

Ich wurde 1957 in Kiel geboren, bin zur Volksschule in die Reventlou-Schule in Kiel gegangen und dann auf die Hebbelschule, das neusprachliche Gymnasium in der Feldstraße gewechselt. Mit gerade 18 habe ich Abitur gemacht, 15 Monate Pflichtdienst bei der Bundeswehr absolviert und dann ein Geografie-Studium mit den Nebenfächern Geologie und Ozeanografie aufgenommen. 1982 habe ich über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) für ein Jahr eine Stelle an der Pädagogischen Hochschule Kiel bekommen und habe ein Forschungsprojekt bei Professor Wolfgang Hassenpflug unterstützt. 1984 bis 1985 habe ich für die Zentralstelle für Landeskunde auch über ABM eine Umwelterhebung in Eckernförde durchgeführt. Bis zu meinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst als Leiter der Naturschutzabteilung in Eckernförde im April 2021 habe ich die Ergebnisse dieser Umwelterhebung umgesetzt. Nebenher gab es noch ganz viel Ehrenamtliches auf verschiedenen Ebenen. Ich habe lange Zeit in Kiel gewohnt, 1991 sind wir nach Eckernförde übergesiedelt. Wir haben zwei Söhne, die wieder ganz bzw. teilweise in Eckernförde wohnen.

Wann hast du begonnen, dich für den Naturschutz zu engagieren? Was oder wer hat dich beeinflusst? Wann war das?

Der Einstieg in den Naturschutz war so um 1980, also während des Studiums. Mir fiel auf, dass viele von den Naturgesetzen, die wir dort gelernt haben, durch den Einfluss des Menschen in der Praxis anders ablaufen, dass da eine Diskrepanz war zwischen dem, was gelehrt wurde, und dem, was draußen zu beobachten war. Auch was Professor Wolfgang Riedel in seinen Seminaren an der Akademie Sankelmark zum Landschaftswandel in Schleswig-Holstein erzählte, öffnete mir die Augen, dass etwas in die falsche Richtung läuft, dass es nicht ewiges Wachstum und Siedlungswachstum geben kann. Von da an habe ich gedacht, dass das ein Berufsfeld für mich werden könnte.

Wo, wann und in welcher Funktion hast du dich eingesetzt? In welchen Gebieten, auf welchen Flächen, in welchen Einrichtungen, ehrenamtlich oder hauptamtlich? Was waren die Aufgaben deiner Wirkungsstätten. Was hast du dort konkret gemacht?

Von 1985 bis 2021 war ich in der Stadt Eckernförde als Einmannabteilung für Naturschutz und Landschaftsplanung zuständig, nachdem ich von 1984 bis 1985 dort eine Gemeindeumwelterhebung erarbeitet hatte. An der Pädagogischen Hochschule Kiel hatte ich mich zuvor mit saurem Regen beschäftigt und daneben versucht, Satellitendaten in landschaftsrelevante Daten zu übertragen. Über Wolfgang Riedel bin ich als Student an die Zentralstelle für Landeskunde im Schleswig-Holsteinischen Heimatbund (ZfL) gekommen und habe erst ehrenamtlich oder gegen ein kleines Studentenhonorar, später auf ABM-Basis Umwelterhebungen durchgeführt. Von 1984 bis 2021 war ich Leiter der Naturschutzabteilung in Eckernförde. Bei der ZfL habe ich verschiedene Untersuchungen auch zu anderen Gebieten durchgeführt: zum Untergrund des Ringwalls von Haithabu oder Vorarbeiten für eine Flugaschedeponie im Kreis Segeberg. An der Umwelterhebung Schleswig war ich ebenfalls beteiligt. In dem Zusammenhang habe ich mit Wolfgang Riedel viele Vorträge über den Landschaftswandel in Schleswig-Holstein gehalten und Veröffentlichungen geschrieben, wobei sich das im Wesentlichen auf den Landesteil Schleswig konzentrierte. Da ich im Studium als Nebenfächer Geologie und Ozeanografie hatte, habe ich mich auch immer besonders um die Küsten und die Küstenentwicklung gekümmert.

Seit 1995 bin ich im Landesnaturschutzbeirat tätig, zwischendurch im Kreisnaturschutzbeirat Rendsburg-Eckernförde und im Umweltausschuss des Deutschen Heimatbundes. Ich war im Umweltbeirat des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes, ein paar Jahre auch im BUND-Landesvorstand. Ich habe die Gründung der AktivRegion Eckernförder Bucht mit vorangetrieben und bin dort im Vorstand. In meiner beruflichen Zeit war ich im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Umweltfragen des Städtebundes Schleswig-Holstein. Außerdem habe ich auf Bundesebene an der Vorbereitung und Gründung des Kommunalen Bündnisses für biologische Vielfalt mitgewirkt.

Beim Deutschen Heimatbund hatten wir sehr weitgehende Forderungen zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes erarbeitet. Die habe ich neulich zufällig wiedergefunden und war erstaunt, wie aktuell sie noch sind. Die Forderungen könnten wir heute noch mal genauso stellen, obwohl das etwa 25 Jahre her ist. Da hat sich offenbar leider nicht so viel getan, wie wir gehofft hatten.

Auf die Green-Screen-Festival-Idee bin ich 2004 gemeinsam mit meinem alten Schulkameraden Gerald Grote gekommen. 2006 gründeten wir dafür einen Förder- und Trägerverein und 2007 fand das erste Festival statt. Die ersten zehn Jahre war Gerald Grote Festivalleiter, bis er von Dirk Steffens abgelöst wurde. Das Green Screen Festival passt sehr gut zu Eckernförde. Wir betreiben es als gemeinnütziger Verein, der als Ziel immer auch die Umweltbildung hat. Das Festival bringt Menschen die Natur, deren Gefährdung und Ansätze zu ihrem Schutz nahe. Seit 2022 bin ich erster Vorsitzender des Fördervereins Green Screen Festival e.V..

Welche Programme, Richtlinien, Einrichtungen, Institutionen etc. haben deine Arbeit beeinflusst, und wie beurteilst du deren Wirkung?

Da fallen mir zwei Institutionen ein: der Schleswig-Holsteinische Heimatbund und die Deutsche Umwelthilfe. Beide haben in den 1980er- und 1990er-Jahren kommunale Wettbewerbe durchgeführt, bei denen es um Naturschutz und allgemein um Umweltmaßnahmen ging: der Schleswig-Holsteinische Heimatbund den Wettbewerb „Umweltfreundliche Gemeinde“, die Deutsche Umwelthilfe den Wettbewerb um den Titel „Bundeshauptstadt für Natur- und Umweltschutz“. An beiden hat Eckernförde sich beteiligt und gewonnen. Dadurch bekamen die Politiker, die man ja hinter sich bringen muss, wenn man im Naturschutz etwas erreichen will, von anderer berufener Seite eine Bestätigung, dass sie etwas richtig gemacht haben. Das hat mir meine Naturschutzarbeit sehr erleichtert und auch andere Projekte ermöglicht.

Diese beiden Institutionen gibt es noch, die Wettbewerbe, die für mich sehr hilfreich waren, leider nicht mehr. Richtlinien, Gesetzesvorgaben oder Programme waren bei meiner Arbeit nachrangig, weil ich mich eigentlich immer auf den realen Naturschutz konzentriere und nicht so sehr auf Programme, Absichtserklärungen, also auf das, was ich virtuellen Naturschutz nenne.

Welche Ziele waren dir bei deiner Arbeit für den Naturschutz wichtig? Haben sich die Ziele im Laufe der Zeit verändert?

Mir war immer Effizienz wichtig: mit möglichst geringem Aufwand eine Verbesserung der Naturschutzsituation draußen zu erreichen. Dass man vor Ort zeigen kann, was entstanden ist: „ Auf alten Fotos könnt ihr noch sehen, wie es vorher war. Jetzt ist es so und es ist deutlich besser.“ Viele Naturschutzprogramme und Aktionen, die sich in Gutachten, Machbarkeitsstudien erschöpft haben, haben nichts zum Besseren gekehrt. Das habe ich immer vermieden. Würde ich noch aktiv im Beruf weiterarbeiten, würde ich immer noch mit aller Kraft versuchen, auf schnellstem Weg von A nach B zu kommen, und B muss ein reales Ergebnis sein.

Was würdest du als deinen größten Erfolg in Sachen Naturschutz bezeichnen? Und warum?

Als größten Erfolg sehe ich die Änderung der Stadtentwicklungsrichtung von Eckernförde, die eine massive Flächenausdehnung nach Norden vorsah, festgeschrieben im Flächennutzungsplan und teilweise in Bebauungsplänen. Ich habe nachgewiesen, dass der Norden ganz besonders sensibel ist, und dass, wenn die Stadt eine Ausdehnung nötig hat, sie nach Südwesten gehen sollte. Die Stadt hat im Norden dann nur noch die Bebauungen zugelassen, die als umweltverträglich anerkannt wurden und ist mit der Stadtentwicklung in den Südwesten gegangen. Das hält bis heute an. In dem Zusammenhang ist auch der Eimersee zu nennen, der im Norden in dem Bereich liegt, der eigentlich überbaut worden wäre. Mit äußerst geringem Einsatz, nämlich durch einen Mörteleimer für fünf Mark fünfundachtzig, der in die Entwässerung gestopft wurde, ist dort ein drei Hektar großes Feuchtgebiet entstanden. Das hat sich von 1990 bis heute wunderbar entwickelt, sowohl für die Natur mit ungestörten Bereichen als auch als erlebbare Landschaft für den Menschen. Das hat im Bewusstsein der Bevölkerung eine gute Grundlage für den Naturschutz gelegt. Der Eimersee ist aber auch weit über Eckernfördes Grenzen hinaus bekannt geworden. Reisegruppen aus den USA, Korea, Japan, Finnland haben sich das angeguckt, ein Film wurde gedreht. Als Erfolg sehe ich auch die Wissensvermittlung über diese Projekte, die ich über die Jahre betrieben habe. Zu zeigen: „So kann's gehen, wenn ihr nur wollt.“ Das habe ich an vielen Stellen gemacht. Meines Wissens ist zwar noch kein anderer Eimersee irgendwo entstanden, aber ich glaube trotzdem, dass das Projekt anderen Kommunen Handlungsimpulse gegeben hat.

Im Bereich der Wissensvermittlung sehe ich auch das Green Screen Festival, das Menschen die Natur, Gedanken zur Gefährdung und zum Schutz der Natur nahebringt.

Wann ist dir der Begriff „Klimaschutz“ zum ersten Mal begegnet?

Wann das war, kann ich nicht sagen. Aber der Begriff war für mich von Anfang an mit einem Beigeschmack versehen, weil nicht ersichtlich war: Wollen wir das Klima schützen, oder wollen wir uns vor dem Klima schützen. Naturschutz ist Schutz der Natur. Artenschutz ist Schutz der Arten. Klimaschutz aber war von Anfang an nicht nur Schutz des Klimas, sondern Schutz des Menschen vor dem Klima. Also ein bisschen wie in dem Wort Sonnenschutz, wo wir uns etwas auf die Haut auftragen und wir werden vor der Sonne geschützt. Klimaschutz ist im Gegensatz zu Natur- oder Artenschutz nicht rein altruistisch. Dieser, mein erster Eindruck davon hat sich bis heute gehalten.

Hast du Klimaschutzaspekte bei deiner Naturschutzarbeit aktiv mit einbezogen? Wo und wann ist dir das mit welchen Maßnahmen gelungen? Haben sich im Nachhinein Maßnahmen, die andere Ziele verfolgten, deiner Meinung nach als klimarelevant erwiesen?

Das betrifft ja insbesondere alle die flächenrelevanten Maßnahmen, bei denen der abgesenkte Grundwasserstand wieder auf ein normales Niveau angehoben wurde. Erst, als sich herausstellte, dass Klimaschutz stärker gefördert wird als reiner Naturschutz, also vor etwa fünf, sechs, sieben Jahren, habe ich die Argumentation, die bis dahin auf Naturschutz, Biodiversität, Artenschutz ausgelegt war, so dargelegt, dass auch der Klimaschutz profitiert. Bis dahin habe ich in drainierten Bruchwäldern oder auf Feuchtwiesen aus dem botanischen Aspekt heraus die Wiedervernässung eingeleitet und den Pappel-Brennessel-Wald wieder in einen naturnahen Quellbruch mit Erlen und Iris überführt. Das war mit Sicherheit klimarelevant. Auch die Entstehung des Eimersees ist klimarelevant, denn das Gebiet war künstlich drainiert. Das wird mit Sicherheit CO2 -Äquivalente freigesetzt haben und tut es jetzt nicht mehr. Wie viel Methan dabei vielleicht in Zwischenphasen entstanden ist, weiß ich nicht. Das wurde nie bilanziert. Aber es ist insgesamt auch eine klimarelevante Maßnahme gewesen. Oder die vielen Flächen, auf denen eine natürliche Entwicklung wie Selbstbewaldung, Gehölzentwicklung zugelassen wurde. Aus heutiger Sicht ist das eine bessere Entwicklung im Vergleich zu dem vorherigen Zustand als drainierte Ackerfläche oder tief drainiertes Grünland. Selbst, wenn Holz im Hundert-Jahre-Zyklus wieder in den Kreislauf eingeht. Das ist der natürliche kurzfristige Kohlenstoffkreislauf.

Definiertes Ziel ist der Klimaschutz erst, seit Eckernförde vor wenigen Jahren eine Klimaschutzstrategie aufgestellt hat. Dadurch erhielten einige meiner lange verfolgten Naturschutzmaßnahmen argumentative Verstärkung.

Mit Spannung verfolge ich das Projekt Goossee-Niederung, die durch ein Pumpwerk einen Meter unter dem Meeresspiegel gehalten wird. Es werden nicht nur CO2 -Äquivalente freigesetzt, es wird sogar noch Energie in ein Schöpfwerk eingesetzt und das gegen einen steigenden Ostseewasserstand. Seit ich hier in Eckernförde bin, kämpfe ich dafür, dass die große Goossee-Niederung wiedervernässt wird. Ich habe jahrelang aus Naturschutzsicht argumentiert. Jetzt geht es zusammen mit der Stiftung Naturschutz auch um Klima-Gesichtspunkte. Andere Argumente, andere Fördertöpfe – vielleicht wird es jetzt endlich was.

Sind Flächen angekauft worden?

Ja, sie wurden entweder von der Stadt Eckernförde direkt angekauft und unmittelbar in Biotopflächen umgewandelt, die dann im Eigentum und in der Verantwortung der Stadt blieben. Oder es wurde, wenn es im Zusammenhang mit neuen Baugebieten im Südwesten der Stadt stand, den Investoren auferlegt, die Gesamtfläche zu kaufen, nur die hochgelegenen bebaubaren Flächen zu bebauen und alles, was irgendwie potenziell Feuchtbiotop oder Ähnliches ergeben könnte, von der Bebauung auszusparen und der Stadt kostenfrei zur Renaturierung zu übergeben.

In welchen Bereichen ist die Integration von Naturschutz und Klimaschutz am besten gelungen? Was waren die entscheidenden Faktoren?

Das war immer im Bereich des grünen Klimaschutzes, also Klimaschutz mit natürlichen Faktoren im Gegensatz zum technischen Klimaschutz. Der grüne Klimaschutz ließ sich immer wunderbar mit dem Naturschutz verbinden und integrieren, er ist eigentlich identisch mit dem Naturschutz. Schwierig ist es, wenn die Ziele gegenläufig sind, also wenn technische Einrichtungen wie Windräder oder Solarparks aus Klimaschutzgründen plötzlich in geschützte Naturschutzbereiche hineingebaut werden sollen. Wo kann man in Feuchtgebieten mit Solarnutzung hinein und wo eher nicht? Letztlich ist noch nicht richtig ausgegoren, was der beste Weg ist. Abstimmungen sind nötig.

In welchen Bereichen hat das Einbeziehen der Klimaschutzaspekte gar nicht funktioniert? Woran lag das? Am fehlenden Wissen/Bewusstsein, an Sachzwängen oder an handelnden Personen?

Schwierig war es immer da, wo technischer Klimaschutz mit Naturschutz kollidiert. Ein Beispiel ist Solarnutzung und Bäume: Hausbesitzer beantragen eine Solaranlage auf dem Dach und bekommen dafür Fördermittel. Dann stellen sie einen Antrag, die das Dach beschattenden Bäume vor dem Haus zu fällen, denn sie haben eine Solarnutzung genehmigt bekommen. Das funktioniert gar nicht, und auch nach der städtischen Baumschutzsatzung ist das kein Grund, Bäume wegzunehmen. Man muss die Solarnutzung dann woanders installieren.

Ein anderes Beispiel ist die Vorgabe des Landes, bei der Anlage von Großparkplätzen eine bestimmte Anzahl von Stellplätzen mit Solarnutzung zu versehen. In Eckernförde gab es bisher die Bestimmung, dass auf Großparkplätzen alle fünf oder sechs Stellplätze ein Baum gepflanzt werden muss. Auch hier kollidieren die Zielrichtungen. Da muss man sich fragen, was wichtiger ist und was wir hier in der Stadt haben wollen. Und leider schreitet auch die Versiegelung überall massiv voran, sowohl durch die Ausweitung von Baugebieten als auch im Kleinen durch Umwandlung von Grün- in Schottergärten. Das ist alles nicht nur gegen den Naturschutz, sondern auch gegen den Klimaschutz gerichtet und dagegen hat sich noch kein wirksames Mittel gefunden. Es gibt immer mal einzelne Entsiegelungen und auch im Gartenbereich positive Entwicklungen, aber das wird bei Weitem von den negativen Entwicklungen übertönt, die ja nach wie vor stattfinden.

Gibt es, wenn du auf die einzelnen Projekte zurückblickst, Dinge, die du heute in Bezug auf den Klimaaspekt anders machen würdest?

Ich würde es genauso machen, nur vehementer. Hätten wir in früheren Jahren konsequent Naturschutz betrieben, so wie es von Naturschutzseite gefordert wurde, müssten wir uns jetzt nicht in dem Maße um den Klimaschutz kümmern. Dann wäre ein Teil der Problematik gar nicht aufgetaucht.

Wie sieht für dich erfolgreicher Naturschutz verbunden mit Klimaschutz in Zukunft aus, und wo siehst du die Grenzen des Zusammenwirkens von Natur- und Klimaschutz?
 

Das wird die Verbindung von erfolgreichem Naturschutz mit grünem Klimaschutz sein: Die Wiederherstellung der natürlichen Grundwasserstände, die Verhinderung weiteren Torfabbaus, weiterer Waldrodungen, weiterer Versiegelung. Bei wachsender Weltbevölkerung ist das eine Herausforderung, aber anders haben wir keine Chance. Wir dürfen keine weitere Entwaldung oder Entwässerung von Mooren hinnehmen und dann meinen, wir könnten dem auf technischer Ebene etwas entgegensetzen. Es darf keine weitere Industrialisierung der Landwirtschaft durch Solarkraft, Windanlagen oder was immer da noch jemandem einfällt, geben. Wenn man wirklich ernsthaft etwas zur Rettung des Klimas oder – allgemein und ein bisschen pathetisch gesagt – zur Weltrettung beitragen will, dann hätte man das seit Jahrzehnten schon machen können. Aber es ist letztlich nicht gewünscht, weil es vielfach wirtschaftlichen Interessen zuwiderläuft. Der heutige Klimaschutz wird häufig auf die Teile reduziert, die der Wirtschaft zugutekommen, ist also Wirtschaftsförderungsklimaschutz. Mit dem werden wir auf Dauer nicht gegen die Probleme ankommen, wenn wir uns nicht auf die natürlichen Ressourcen besinnen und Wälder, Moore, Steppen so erhalten, wie sie sind, oder besser noch, in den ursprünglichen Zustand zurückführen.

Welche Ziele und Herangehensweisen hältst du in diesem Zusammenhang für realistisch?

Der Wirtschaftsförderungsklimaschutz ist gesellschaftlich akzeptiert, weil er Arbeitsplätze bringt und zu Wirtschaftswachstum führt. Der grüne Klimaschutz tut das alles nicht und wird nur so lange auf Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen, wie sich die Menschen in der Komfortzone befinden. Wenn es um den eigenen Arbeitsplatz geht oder um das Beheizen der eigenen Wohnung – wir erleben ja gerade solche Krisen – dann ist grüner Klimaschutz vielen Leuten völlig gleichgültig. Dann werden wieder andere Dinge vorrangig gesehen. Das ist schon beim ersten Bericht des Club of Rome in den 1970er-Jahren herausgekommen. Es gab da eine wunderbare Grafik zu der Frage, wo die Interessen der Menschen liegen. Mit der Zeit auf der x-Achse und dem Raum auf der y-Achse und Punkten für jedes einzelne Interesse. Die meisten Punkte sammelten sich alle ganz links unten in der Ecke. Das bedeutet: Ich denke bis morgen und innerhalb meiner eigenen vier Wände, das sind die Hauptinteressen. Es dünnt mit den Punkten schon aus, wenn es um „innerhalb eines Monats“ und „innerhalb meines Stadtteils“ geht. Fast gar keine Punkte finden sich im Bereich „in hundert Jahren“ und „die ganze Welt“ – da kommen nur noch ein paar Sorgenpunkte zusammen. Hinzu kommt leider noch: Sobald im Nahbereich etwas nicht mehr funktioniert und man ist eigentlich im Fernbereich engagiert, wird man sofort wieder zurückfallen in diesen Nahbereich und sich nur da Gedanken machen. Wie ein Bergsteiger, der den Gipfel erklimmen will und losrennt und merkt, dass sein Schnürsenkel aufgegangen ist. Der wird nicht weitergehen, sondern der wird sich erst mal hinsetzen und den Schnürsenkel zumachen. Genau das erleben wir zur Zeit und das ist, wenn man von realistischen Zielen spricht, die Schwierigkeit. Konsequenter Naturschutz wird daher nicht durchzuhalten sein. Die Kunst der Naturschutz- und der Klimaschutzpolitik wird sein, einen Mittelweg zu finden: Natur und Klima zu schützen, die Menschen trotzdem mitzunehmen und sie auf dem Weg nicht zu verlieren. Eine fast unlösbare Aufgabe. Aber Aufgeben ist auch keine Option.

Welche Fehler dürfen auf keinen Fall gemacht werden?

Auf keinen Fall dürfen wir technische Maßnahmen vor den Naturschutz stellen. Man wird immer starke Argumente finden, weshalb der technische Naturschutz in irgendwelchen Bereichen jetzt wichtig und genau das Richtige ist, weil dahinter finanzkräftige Interessen stehen und auch kurzfristige Wohltaten für die Bevölkerung. Sei es die warme Heizung oder dass der Strom noch aus der Steckdose kommt. Es wird uns in Zukunft weiter suggeriert werden, dass das im Vordergrund steht. Wir müssen dagegenhalten und dürfen die Langfristperspektive nicht aus den Augen verlieren, um das zu erhalten, was außerhalb des Menschen auf dieser Erde existiert. Dafür muss man auf Messers Schneide entlanggehen, ohne in die eine oder die andere Richtung abzurutschen. Wir sollten weiterhin versuchen, einen Mittelweg einzuhalten, alle mitzunehmen, aber dabei immer die Natur im Fokus behalten.