Stiftung Naturschutz

„Der Ast, auf dem wir sitzen“

Interview mit Thomas Wälter am 16.05.23 in Kiel

Vita

Ich bin vor 55 Jahren in Arnsberg im Sauerland, Nordrhein-Westfalen geboren. Das ist eine sehr waldreiche Gegend. Als Kind und Jugendlicher habe ich daher viel in Wald und Feld und insbesondere an der „Ruhr“ herumgestöbert. Mit meinem Vater machte ich ausgedehnte Wanderungen im Wald. Diese Erfahrungen haben mich dazu bewogen, Forstwirtschaft zu studieren. Begonnen hat es in der Landesforstschule NRW, auf der ich eine Art Forst-Abitur machen konnte. In diesem Ausbildungsabschnitt habe ich schon Naturschutz als Vertiefungsfach gewählt.

Auch in der anschließenden Bundeswehrzeit habe ich mich im Umweltbereich im Ameisenschutz engagiert.

Danach bin ich zum Forststudium nach Göttingen gegangen. Dort merkte ich, dass Naturschutz meine Hauptpassion ist, und entschied mich nach Abschluss des Forststudiums für ein zweites Studium zum Diplom-Ökologen an der Universität in Essen. In Essen wurden die Naturschutzthemen vertieft, darunter Bioindikation, Landschaftsplanung, Landschaftsrecht, Landschaftsentwicklung, Geobotanik. Während des Studiums und zunächst auch danach war ich freiberuflich als Planer tätig.

Dann folgte mein erster (befristeter) Job im öffentlichen Dienst als Referent für ökologische Waldwirtschaft und Jagd im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin in Brandenburg. Dann verschlug es mich nach Cottbus in die Lausitz Südbrandenburg. Dort war ich vier Jahre Referatsleiter für die Obere Naturschutzbehörde Süd im Landesumweltamt mit dem Schwerpunkt Bergbaufolge und Naturschutz.

Ende 2003 sind wir als kleine Familie nach Schleswig-Holstein gezogen, wo ich im Umweltministerium zunächst als Referatsleiter für die Oberste Jagdbehörde den Artenschutz und Vertragsnaturschutz zuständig war. Ab Mitte 2005 wechselte ich ins damalige LANU (Landesamt für Natur und Umwelt, heute LfU) und habe zwölf Jahre die Naturschutz-Fachabteilung als obere Naturschutz- und untere Forstbehörde geleitet.

Mit einem „Zwischenstopp“ in Nordrhein-Westfalen – dort zuständig für den Nationalpark Eifel, Naturschutz im Wald und Umweltbildung im Landesbetrieb Wald und Holz – landete ich wieder sanft in Schleswig-Holstein und arbeite seitdem hier im Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur als Referatsleiter in der Abteilung Naturschutz und bin stellvertretender Abteilungsleiter.

Mit meiner Familie lebe ich in Schinkel am Nord-Ostsee-Kanal. Ich genieße es immer sehr, wenn ich zum Feierabend nach Hause in die ländliche Region nach Schinkel komme, wo es u.a. noch ein gut erhaltenes Knicknetz gibt, das die Landschaft strukturiert und enorm bereichert.

Wann hast du begonnen, dich für den Naturschutz zu engagieren? Was oder wer hat dich beeinflusst? Wann war das?

Zum ersten Mal habe ich mich als Forstschüler für den Naturschutz begeistert. Ich habe an Naturschutz-Projekten mitgearbeitet, die im Wesentlichen im Wald stattfanden. Damals habe ich mir noch nicht so generelle Gedanken über Naturschutz an sich gemacht, sondern diese Aufgabe dem Forstberuf selbstverständlich mit zugeordnet. Eine bewusste Entscheidung war es dann, Naturschutz und Landschaftspflege im Forststudium zu vertiefen und anschließend ein zweites Studium Naturschutz anzuhängen. Geprägt hat mich jedoch maßgeblich die unbekümmerte Kindheitszeit im Wald, in Feld und Flur.

Wo, wann und in welcher Funktion hast du dich eingesetzt? In welchen Gebieten, auf welchen Flächen, in welchen Einrichtungen, ehrenamtlich oder hauptamtlich? Was waren die Aufgaben deiner Wirkungsstätten. Was hast du dort konkret gemacht?

Bei der Bundeswehr habe ich mit anderen Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in Revierförstereien vor Ort Ameisenschutzprojekte organisiert.

Während des Zweitstudiums und danach war ich freiberuflich tätig und habe Schutz-, Pflege- und Entwicklungsplanungen für den Kommunalverband Ruhrgebiet, für die RWE und andere große Stromkonzerne sowie die Deutsche Bahn AG erstellt. Prägend waren die Gestaltung von Freiflächen, Trassen und grünen Gebieten im Ruhrgebiet und ihre Entwicklung im Sinne des Naturschutzes. Auf dem Weg dahin erfolgten natürlich zahllose Abstimmungstermine mit öffentlichen Akteuren.

Als Referent für ökologische Waldwirtschaft und Jagd im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin in Brandenburg hatte ich mit den Themen Waldwirtschaft, Naturschutz und Jagd zu tun, saß nun in verantwortlicher Position erstmals auf der anderen Seite „des Tisches“ im öffentlichen Dienst und setzte mich mit Fragen auseinander wie: Was sagt das Gesetz? Was will die Natur/der Naturschutz? Was sind unsere Ziele und Richtlinien? Was ist Daseinsvorsorge und Naturschutz? Was sagt unser Gemeinwohl, was will der Staat? Welche Regelungen, Richtlinien und Formate haben wir, um Naturschutz zu regeln und zu leben?

Als Referatsleiter für die Obere Naturschutzbehörde Süd mit dem Schwerpunkt Bergbau und Naturschutz in Südbrandenburg waren die Bergbaufolgelandschaften in meinem Focus. Unser Hauptziel war, eine Einigung zum Schutz der Natur mit den noch Bergbau treibenden sowie mit der Lausitzer und Mitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsgesellschaft zu erreichen und mit Hilfe von Übereinkommen möglichst viele Flächen mit außergewöhnlicher Strukturvielfalt in den Bergbaufolgelandschaften zu sichern. Dort ist es uns gemeinsam mit anderen Partnern, großen Stiftungen wie der Heinz-Sielmann-Stiftung, dem Brandenburger Naturschutzfond, der Naturschutzstiftung des Naturschutzbundes (NABU) gelungen, große Flächen von 1.000 Hektar und mehr zu sichern. Unzerschnitten, störungsarm, nährstoffarm – aber eben „Natur aus zweiter Hand“ nach dem Bergbau. Aus heutiger Sicht war das genau richtig, denn es sind die Flächen, die uns aktuell in der Landschaft fehlen, da die meisten Flächen großteils stoffkreislaufmäßig belastet und überprägt sind.

Im Umweltministerium in Schleswig-Holstein habe ich für die Oberste Jagdbehörde den Artenschutz und Vertragsnaturschutz bearbeitet und versucht, Artenschutz und Jagd ein bisschen näher zusammenzubringen. Die einen schützen und hegen die Tiere, die bejagt werden können nach dem Jagdrecht, die anderen schützen die Tiere, die nicht bejagt werden dürfen nach Artenschutzverordnung, aber beide Gruppen leben in den gleichen Landschaften. Ergo können sich doch alle Akteure gemeinsam dafür einsetzen, diese Landschaften so zu prägen und naturnah zu gestalten, dass viele Tierarten, ob jagdbar oder nicht jagdbar, darin gut leben können.

Während meiner Zeit im Landesamt sind die integrierten Stationen aufgebaut worden, die ehemaligen staatlichen Umweltämter sind eingegliedert worden, die Naturschutzdezernate und die Untere Forstbehörde sind hinzugekommen. Schließlich waren wir eine große Mittelbehörde und die obere fachliche Instanz für den Naturschutz mit allem, was das behördliche Wesen betrifft.

Diese Zeit war sehr prägend und lehrreich, weil wir viele fachliche Diskussionen geführt haben über Wildnis versus Pflege, Moorschutz versus Artenschutz, Wiesenvogelschutz versus Moorschutz. Die unterschiedlichen Wertgebungen und Leitbilder wurden so fassbarer. Hier habe ich mich auch zum ersten Mal sehr bewusst intensiver mit den Themen Klimaschutz, Ökosystemschutz, Artenschutz befasst und begonnen, die Vision einer intakten blau-grünen Infrastruktur für Schleswig-Holstein zu entwerfen: Es muss uns gelingen, 30 Prozent des Landes in einen sehr naturnahen Zustand zu bringen. Und zwar in den ökologischen Schlüsselarealen, den Fließgewässern, den Mooren, den Wäldern, also in den Bereichen, die zusammenhängen und im Sinne eines übergreifenden Biotopverbundes gut „funktionieren“ müssen.

In Nordrhein-Westfalen war ich zuständig für den Nationalpark Eifel, Naturschutz im Wald und Umweltbildung. Besonders die Bedeutung der Umweltbildung im Sinne einer nachhaltigen gesellschaftlichen Entwicklung ist mir dort ans Herz gewachsen.

Im Ministerium für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur Schleswig-Holstein bin ich als Referatsleiter in der Abteilung Naturschutz und stellvertretender Abteilungsleiter u.a. für die Biodiversitätsstrategie des Landes zuständig, die wir zusammen mit vielen Kolleginnen und Kollegen sowie weiteren Akteuren erarbeitet haben und umsetzen.

Welche Programme, Richtlinien, Einrichtungen, Institutionen etc. haben deine Arbeit beeinflusst, und wie beurteilst du deren Wirkung?

Die fachlichen Diskurse im Landesamt haben meine Arbeit beeinflusst. Ob wir auf Flächen beispielsweise der Eider-Treene-Sorge-Niederung Wiesenvögel schützen oder ob wir konsequent Moorschutz machen wollen. Moorvögel oder Wiesenvögel – diese Entscheidung mussten wir treffen. Die Diskussionen führen wir bis heute. Und sie sind gut und richtig soweit diese zu Entscheidungen führen.

In Schleswig-Holstein haben wir 2008 ein nördliches Arbeitsbündnis der Fachbehörden Klimaschutz und Naturschutz initiiert. Länderfachbehördenübergreifend wurde dadurch zusammen mit dem Bund die erste Moor-Klima-Schutzbroschüre erarbeitet, in der das Thema Klimaschutz ganz besonders im Fokus stand. Wir haben als Länderfachbehörde frühzeitig darauf hingewiesen, welch großes Potenzial, nicht nur Naturschutzpotenzial, sondern auch Klimaschutzpotenzial, die Moore insgesamt und besonders in den norddeutschen Bundesländern haben. Diese Diskussionen und Arbeitsprozesse leiteten einen Prozess fachlich ein, der die bundesweiten Grundsatz- und Standardpapiere sowie -positionen zum Moorschutz erbrachte.

Welche Ziele waren dir bei deiner Arbeit für den Naturschutz wichtig? Haben sich die Ziele im Laufe der Zeit verändert?

Aus dem Grundverständnis und der Erkenntnis der Lehre der Ökologie heraus, dass wir das multifunktionale Geflecht der Natur nicht wirklich gestalten oder steuern können, war mir wichtig, die Natur immer auch ein Stück Natur sein zu lassen. Wenn es uns gelingt, Störungsparameter auszuschalten und Reorganisationsprozesse in den Systemen langfristig weitgehend zuzulassen, hat die Natur seit jeher ein enormes Anpassungspotenzial.

In Schleswig-Holstein habe ich gelernt, dass diese reine Lehre so nicht immer und überall funktioniert, da sehr viele Arten und Lebensräume von einer extensiven und z.T. historischen Landnutzung abhängig sind und sie nur durch Pflege und Nutzung erhalten werden können. Das ist also genauso Teil eines breit aufgestellten Naturschutzes wie das Prinzip „Natur Natur sein lassen“.

Was würdest du als deinen größten Erfolg in Sachen Naturschutz bezeichnen und warum?

Ein großer Erfolg war es, die seit 30 Jahren „veraltete“ Biotopkartierung als Inventar der Natur aktualisieren zu können. Durch eine Entscheidung der verantwortlichen politischen Ebene konnten wir im Fachamt die Vorbereitungen, Durchführung und Begleitung für eine landesweite Kartierung der Wertbiotope übernehmen. Das war ein echter Kraftakt, wenn auch die (erwarteten) Verlust-Ergebnisse bedauerlicherweise tatsächlich erhoben wurden.

Wann ist dir der Begriff Klimaschutz zum ersten Mal begegnet?

Der Begriff ist mir in den 1980er-Jahren zum ersten Mal begegnet, als Horst Stern in seinen Veröffentlichungen das Waldsterben, die Waldschäden in Deutschland bekannt machte. Darüber hatten wir intensive Auseinandersetzungen gerade im Forststudium mit Vertiefung Waldökologie und wir haben uns damals auch schon mit den Bezügen zum Klimaschutz beschäftigt. Vor dieser intensiven Debatte ging man davon aus, dass diese komplexen Waldschäden auf irgendwelchen anderweitigen Ursachen beruhen und schon wieder weggehen würden. Das unbequeme Gegenteil hat sich bewahrheitet!

Dass Moore als CO2-Speicher so bedeutsam sind, ist Anfang der 2000er-Jahre in mein Bewusstsein gerückt mit der genannten länderübergreifenden Arbeitsgruppe, an der Experten wie die Greifswalder Wissenschaftler Prof. Hans Joosten und Prof. Michael Succow beteiligt waren, die zum ersten Mal quantitativ ermittelt haben, welche klimarelevanten Potenziale die Renaturierung der schleswig-holsteinischen Moore haben. Heute wissen wir, dass es deutlich über zehn Prozent unserer gesamten klimawirksamen Gase sind.

Hast du Klimaschutzaspekte bei deiner Naturschutzarbeit aktiv miteinbezogen? Wo und wann ist dir das mit welchen Maßnahmen gelungen?

Das habe ich immer versucht, weil ich ausgebildeter Ökologe bin. Ich versuche neben dem Naturschutz, dem reinen Biodiversitätsgedanken, immer auch die Aspekte von Wasserschutz, Bodenschutz und vor allen Dingen Klimaschutz mitzudenken. Wenn ich Naturschutz auf der Fläche mache, frage ich mich, welche positiven Umweltaspekte des Gemeinwohls dabei noch auftreten. Insbesondere beim Moorschutz spielte der Klimaschutz dabei immer schon eine Rolle. Dort ist er für mich im Zusammenhang mit Arbeiten der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein zum ersten Mal ganz klar, praktisch und gegenwärtig geworden.

Haben sich im Nachhinein Maßnahmen, die andere Ziele verfolgten, deiner Meinung nach als klimarelevant erwiesen?

Ja, der Wiesenvogelschutz zum Beispiel. Alle Maßnahmen, mit denen versucht wurde, den Wasserstand organischer Standorte in der Regel über die Erhöhung des Wasserstandes zu verbessern, hat automatisch dazu geführt, dass weniger Klimagase aus diesen Flächen und vor allen Dingen aus den organischen Böden entweichen können. Somit wurde (unbewusst) schon über Generationen, auch durch die Wiedervernässung im Wald, Klimaschutz betrieben.

In welchen Bereichen ist die Integration von Naturschutz und Klimaschutz am besten gelungen? Was waren die entscheidenden Faktoren?

Am besten gelungen ist es im Bereich des Moor- und Waldschutzes. Durch Renaturierung der Moore insbesondere auf Flächen der Stiftung Naturschutz und durch den kontinuierlichen Waldumbau der Landesforsten konnten und können große Schritte gegangen werden. Schleswig-Holstein ist ein kleines Land, mit flachen Hierarchien, wenig Institutionen, aber dafür engen Vernetzungen. Das ist eine wichtige Grundlage dafür, dass wir Dinge auf der Fläche umsetzen können und es schaffen, gemeinsam Flächen für den Naturschutz zu sichern und sie zu renaturieren. In größeren Bundesländern, in denen mehr Institutionen beteiligt sind, ist das manchmal nicht so einfach. Eben typisch Norddeutsch: wenig schnacken, viel umsetzen…

In welchen Bereichen hat das Einbeziehen der Klimaschutzaspekte gar nicht funktioniert? Woran lag das? Am fehlenden Wissen/Bewusstsein, an Sachzwängen oder an den handelnden Personen?

Wenn ich das auf Schleswig-Holstein beziehe, muss ich leider konstatieren, dass die Integration von Klimaschutzzielen im Bereich der Landwirtschaft noch nicht so gut funktioniert hat. Das liegt m.E. nicht an den Landwirten selbst, sondern an der gesamten Situation der europäischen Agrarpolitik und daran, wie Gemeinwohlleistungen honoriert werden. Wenn wir früher angefangen hätten, klimaschonende Bewirtschaftungsmethoden zu honorieren, oder dass das aktive Einsparen von einer Tonne CO2 eine Daseinsvorsorge und Leistung ist, wäre eine flottere Integration in die Landwirtschaft möglich gewesen.

Gibt es, wenn du auf die einzelnen Projekte zurückblickst, Dinge, die du heute in Bezug auf den Klimaaspekt anders machen würdest?

Nein. Aber ich würde heute noch früher versuchen, neben Naturschützern auch die benachbarten Bereiche Wasserschutz, Bodenschutz, Luft sowie weitere Akteure wie z.B. aus dem Bildungswesen etc. mit in die Diskussion um den Naturschutz einzubeziehen. Es kostet zwar mehr Zeit, verbessert jedoch mittelfristig das gesamte gesellschaftliche Bewusstsein für Natur- und Klimaschutz. Einzubeziehen und integrativ zu arbeiten heißt, mit anderen Behörden und allen, die mit der Fläche zu tun haben, gemeinsam zu überlegen, wie wir Gebiete sinnvoll renaturieren, statt nur im Naturschutzkränzchen zu verharren und mit bescheidenen Möglichkeiten zu agieren.

Wie sieht für Dich erfolgreicher Naturschutz verbunden mit Klimaschutz in Zukunft aus und wo siehst du die Grenzen des Zusammenwirkens von Natur und Klimaschutz?

Erfolgreicher Natur- und Klimaschutz besteht insbesondere in Schleswig-Holstein darin, dass wir versuchen, die Landesbiodiversitätsstrategie vollumfänglich umzusetzen. Das ist eine große Herausforderung, weil Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft, Bodenschutz, Naturschutz etc. zusammen auf der Fläche agieren müssen, um die großen Renaturierungspotenziale auszuschöpfen. Andernfalls werden wir es in den nächsten 15 Jahren nicht schaffen, die blau-grüne Infrastruktur, also das grüne Klima-Naturschutz-Netz vom Papier auf die Fläche zu bekommen.

Und wir sollten integrativ denken. Die Niederungsstrategie, die Ostseeküsten-Strategie, alle weiteren Strategien, die flächen- und raumbezogen sind, greifen ineinander und verfolgen in der Fläche häufig ein ähnliches Ziel. Das gilt es mit den Akteur:innen zu nutzen, auch mit denjenigen, die nicht direkt im Naturschutz tätig sind. Aktuell geschieht das schon, indem wir mit über 40 Akteursgruppen die Landesbiodiversitätsstrategie entwickelt haben und sie jetzt mit vielen Beteiligten diskutieren und unter Beteiligung einer Vielzahl von Akteur:innen umsetzen. Wir bilden eine Plattform, auf der sich die Beteiligten gegenseitig ihre Maßnahmen vorstellen, miteinander ins Gespräch kommen und umsetzen. Vernetzen, vernetzen, vernetzen, wo immer sinnvoll und möglich.

Welche Ziele und Herangehensweisen hältst du in diesem Zusammenhang für realistisch?

Die Herangehensweisen habe ich schon genannt. Vor dem Hintergrund vieler globaler Krisen ist es das Ziel, die uns erhaltenden Lebensgrundlagen, die Wirtschaftlichkeit genauso wie die Infrastruktur gemeinsam und gleich zu denken. Neben einer grauen Infrastruktur muss es immer in genau der gleichen Priorität eine grüne und blaue Infrastruktur mit entsprechender Flächenausstattung und Vorrang geben. Ich wünsche mir, dass die politischen Parteien übergreifend dieses Ziel zur Daseinsvorsorge verfolgen und auch genügend Finanzen und personelle Ressourcen dafür bereitstellen. Eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung, neben der Umsetzungskraft des Naturschutzes in der örtlichen Ebene.

Welche Fehler dürfen auf keinen Fall gemacht werden?

Wir dürfen nicht gegen die Natur arbeiten. Wachstum und Wohlstand bitte nicht zu Lasten unser Lebensgrundlage der Natur, nicht in Deutschland und nicht ausgelagert in anderen Ländern. Wir müssen uns immer, auch in Krisenzeiten, darauf besinnen, dass die Natur der Ast ist, auf dem wir sitzen. Sie ist unsere Lebensgrundlage. Der Naturschutz muss mit dem Klimaschutz, mit dem Wasser- und Bodenschutz gemeinsam gehen und sich gesellschaftlich breiter aufstellen.