Stiftung Naturschutz

„Das ist schon eine Hausnummer“

Interview mit Udo Harriehausen am 08.02.23 in Schellhorn

Vita

Geboren bin ich 1972 in Göttingen, meine Kinder- und Jugendzeit habe ich auf dem elterlichen Bauernhof in Groß Schneen, einem Nachbarort von Friedland, in Südniedersachsen verbracht. Wir haben Milchvieh­wirtschaft zu Hause. An der Fachhochschule Hildesheim/Holzminden, Standort Göttingen, habe ich Forstwirtschaft studiert. Danach war ich ein Jahr im Anwärterdienst im Raum Stolberg im Ostharz. Weil die Anwärterzeit recht erfolgreich verlaufen war, bekam ich im Anschluss eine Revierstelle und war dann in der Altmark in Sachsen-Anhalt bei Gardelegen als Förster tätig. 1999 ging es nach Schleswig-Holstein, zunächst mit einer Stelle als Büroleiter im Forstamt Rantzau in Bullenkuhlen. Nach knapp sechs Jahren konnte ich durch einen Stellentausch die Försterei Satrup in der Region Angeln übernehmen. Damals gab es noch eine Forstamtsstruktur und Satrup war im Forstamt Schleswig aufgehoben. Ich habe diese Försterei von 2004 bis 2020, also 16 Jahre lang übertragen bekommen. 2020 bin ich dann in die Zentrale der Landesforsten ins Sachgebiet Naturschutz gewechselt. Seit drei Jahren leite ich dort die Abteilung Naturschutz. Ich bin in Satrup wohnhaft geblieben und wir haben eine Familie gegründet. Wir haben vier Kinder und hatten die Möglichkeit, auf einem mittlerweile vielfältig naturnah gestalteten Grundstück ein Haus zu bauen. Neben uns wohnen am Haus Fledermäuse und im Garten viele weitere Arten.

Wann hast du begonnen, dich für den Naturschutz zu engagieren? Was oder wer hat dich beeinflusst? Wann war das?

Schon als Kind in der Bauernhofzeit habe ich mich für Natur interessiert, das haben auch alle um mich herum bemerkt. 1982, da war ich zehn Jahre alt, habe ich mit meiner Mutter in Groß Schneen einen Vortrag von einem Naturschutzverband über den naturnahen Garten gehört. Es ging dabei um wilde Ecken im Garten mit Brennnesseln, Steinhaufen und Feuchtbereichen. Das fand ich sehr interessant. In der Feldmark habe ich hin und wieder eine Weide in den Boden gesteckt oder Sträucher gesetzt und im Hausgarten eine kleine Ecke mit Totholz und heimischen Stauden gestaltet.

Groß Schneen ist eine Gemeinde mit viel Fläche, zwei Dritteln Feld und einem Drittel Wald und hat bei mir viele Impulse gesetzt. Der Wald wird z.B. gemeinschaftlich bewirtschaftet, die Dorfbewohner helfen dabei mit. So war ich schon als Kind mit im Wald und habe gepflanzt, wenn Flächen mit Eiche, Ahorn, Buche, Eibe neu bestockt worden sind. Als Jugendlicher habe ich am Fluss Leine, die an unserer Gemeinde vorbeifließt, für ein bisschen Taschengeld Kopfweidenpflege betrieben. Auch während der Semesterferien habe ich immer mal wieder gepflanzt. Im Göttinger Raum gibt es mehrere Flächen, wo jetzt Wald steht, bei dem ich weiß, dass ich ihn mit begründet habe.

Zusammen mit einer Freundin habe ich während der Schulzeit bei „Jugend forscht“ mitgemacht. Wir haben die Gewässerqualität in den Gräben um Groß Schneen herum untersucht und mit der des Flusses Leine verglichen.

Ich habe die Natur immer als etwas sehr Wertvolles empfunden. Den Zugang habe ich auch über die Landwirtschaft und die Jagd bekommen. Mein Vater war in vielen Ehrenämtern aktiv und neben der beruflichen Landwirtschaft auch Jagdpächter in der Gemeinde. Er hat diese Wertschätzung immer vorgelebt. Wenn etwas auf der Jagd erlegt wurde, dann war das etwas ganz Besonderes, was man mit nach Hause nehmen und verwerten konnte. Es ist nichts Selbstverständliches, sondern etwas aus der Natur, was genutzt aber auch bewahrt werden muss.

Wo, wann und in welcher Funktion hast du dich eingesetzt? In welchen Gebieten, auf welchen Flächen, in welchen Einrichtungen, ehrenamtlich oder hauptamtlich? Welche Aufgaben hatten deine Wirkungsstätten. Was hast du dort konkret gemacht?

Im Anwärterrevier in Sachsen-Anhalt war ein Schwerpunkt der Naturschutzarbeit ein Projekt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme: Wir haben 1.000 Nistkästen für verschiedene Arten ausgebracht und kontrolliert, zusammen mit Menschen, die dazu bisher keinen Zugang hatten.

Im Revier Jävenitz in der Altmark gab es eine Besonderheit: das Jävenitzer Moor. Ein Hochmoor auf sandigem Substrat, das damals schon recht gut eingestellt war, das aber dauerhaft zu pflegen und zu kontrollieren war. Dort habe ich zum ersten Mal Kraniche als Brutvögel wahrgenommen.

Im Forstamt Rantzau in Bullenkuhlen habe ich die Pflege von aufgegriffenen Greifvögeln vom Amtsleiter Hans-Albrecht Hewicker mit unterstützen können. Ein Highlight war dort ein Falkenprojekt mit einer Auswilderungsvoliere in einem Wald mit dem Ziel, baum­brütende Wanderfalken wieder in Schleswig-Holstein anzusiedeln. Und in der Försterei Kummerfeld fand damals das Internationale Jugendgemeinschaftsdienst-Camp (IJGD) statt. Dieser Dienst holte einmal im Jahr Jugendliche aus aller Welt im Himmelmoor zusammen, um Entkusselungen oder andere Maßnahmen im Moor durchzuführen.

Ich hatte viel Verbindung zu verschiedenen Verbänden oder Einzelpersonen, sowohl hauptamtlich als auch ehrenamtlich, die Impulse zu verschiedenen Naturschutzfacetten gesetzt und damit weiteren Bezug und Zugang zum Naturschutz geschaffen haben. Meine Vernetzung war schon über das Forstamt Rantzau in Schleswig-Holstein ein bisschen erweitert, aber über die Försterei Satrup dann ganz enorm. Da ist die Projektgruppe Seeadlerschutz mit einem Seeadler-Standort direkt im Gemeindegebiet. Es gibt eine Graureiher-Kolonie, weswegen ich Kontakt zum Vogelschutzwart des Landesamtes für Umwelt (LfU) Jan Kieckbusch und zur Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft (OAG) bekam. Über die Beringung der Uhus ist zum Landesverband Eulenschutz (LVE) mit Karl-Heinz Reiser ein enger Kontakt gewachsen. Ebenso zu Matthias Göttsche vom Fledermausschutz. Im Förstereibereich dort in Angeln gab es bereits 700 bis 800 Nistkästen verschiedenster Art und überall verteilt. Während meiner Zeit wertete Herr Göttsche die Standorte mit Spezialkästen auf, sodass räumlich enger zusammen­hängende Kastengruppen gebildet werden konnten, die dann für bestimmte Arten interessant wurden. Ein weiterer enger Kontakt ergab sich zu Manfred Koch, Vorsitzender der AG Heimische Orchideen, der sich sehr für den Orchideenschutz einsetzt. Auch die AG Geobotanik ist in der Region aktiv. Mir lagen daher bereits in meiner Förstereizeit Daten vor, welche Pflanzenvorkommen wo zu finden waren, und ich konnte sie bei der Forstwirtschaft berücksichtigen.

Privat engagiere ich mich seit 2004 im Naturschutzverein Mittelangeln, der zwei große Moore, das Hechtmoor und das Satrupholmer Moor in seinem Bereich hat. Dort sind mit der Zeit ganz umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen mit Torfdämmen umgesetzt worden. Holger Mordhorst-Bretschneider vom Büro Mordhorst war der Gutachter für Hydrologie, über den Naturschutzverein wurde sehr viel Fläche zusammengekauft, über den Kreis Schleswig-Flensburg finanziert und dann die Maßnahmen umgesetzt. Mit dem Erfolg, dass im Satrupholmer Moor die Kraniche mittlerweile Brutvögel sind, und die Bekassine ist auch wieder dort.

In meiner jetzigen beruflichen Funktion hat sich nochmal eine andere Welt aufgetan. In der Försterei finden alle Aufgaben eines Forstbetriebs statt, von Wirtschaften allgemein, Pflanzungen, Waldpflege, Holz bereitstellen, Jagdbetrieb, Waldschutz über verschiedene Schutzfunktionen bis hin zu Erholungsleistungen. Meine Tätigkeit als Abteilungsleiter Naturschutz bei den Schleswig-Holsteinischen Landesforsten (SHLF) konzentriert sich hingegen auf die Schutzfunktionen in der Waldwirtschaft, vertieft das komplexe Themen­gebiet und ist sehr verzahnt, denn in so ziemlich jedem Tätigkeitsfeld, das bei uns vorhanden ist, ist ein Naturschutzanteil enthalten. Ein Landschaftselement wie ein Moor ist sehr naturschutzgeprägt. Aber auch z.B. bei einer Holzernte sind viele Naturschutzaspekte enthalten, da die Maßnahme hinsichtlich Biotopstrukturen und davon abhängenden Arten gestaltend wirken kann.

In meiner Funktion reflektiere ich zurzeit auf den Betrieb bezogene Konzepte und Programme, die es übergeordnet im Land und im Bund gibt. Wie wirkt sich das eine oder andere Programm auf uns aus? Wie wollen wir, wie müssen wir das umsetzen? Welche Vorgaben kommen auf den Betrieb zu? Welche Zielsetzungen haben wir selbst? Das wiederum stimme ich in SHLF-eigenen Programmen oder Konzepten ab, es entstehen Regelwerke und idealerweise wird so gestaltet und geschult, dass die Mitarbeiterschaft das nachvollzieht, mitmacht, fasziniert oder begeistert wird und letztlich Naturschutz lebt.

Schwerpunkte haben wir durch Natura 2000 bekommen. Und ganz aktuell durch die Biodiversitätsstrategie des Landes und das Programm Biologischer Klimaschutz, bei dem wir eng mit der Stiftung Naturschutz Schleswig-Holstein agieren. Dabei gilt es, Inhalte herunterzubrechen, lesbar zu machen und in klare Aufgaben, in Wirtschaftsplanungen des Jahres projektartig umzusetzen. Wir verstehen uns nicht isoliert als SHLF, sondern möchten über die Vernetzung mit den Institutionen, zu denen wir den Kontakt herstellen, halten und ausbauen, Informationen bekommen, die wir wiederum einbauen können oder die ich auch persönlich als Input brauche: Wo gibt es neue Forschungsaussagen, die einem bei der einen oder anderen Thematik weiterhelfen, um Naturschutzaspekte weiterzubringen? Ob das Artenschutz ist, Biotopschutz, Landschaftsentwicklung insgesamt oder jetzt zunehmend Klimaschutz.

Zu verschiedenen Forschungseinrichtungen pflegen wir engen Kontakt: Da wäre zuerst die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt in Göttingen zu nennen, die waldbauliche, bodenkundliche, wachstumskundliche, waldschutzfachliche Fragen genauso wie auch viele Naturschutzaspekte abdeckt. Es gibt dort z.B. auch eine Abteilung Waldnaturschutz. Wir haben bei uns im Wald langjährige Versuchsflächen zum Teil aus den 1960er-Jahren, wo es zum Beispiel um die Auswirkung von Emission auf Bäume geht. Oder um Herkunftsversuche: Buchen aus verschiedenen Regionen Deutschlands zusammen in einem Bestand. Welche Herkünfte wachsen wie unter welchen Bedingungen? Weitere Forschungsfragen sind z.B.: Was passiert im Naturwald, also in stillgelegten Wäldern, und welche Erkenntnisse kann man da bezüglich der Artenausstattung, der Weiterentwicklung der Kohlenstoffvorräte im Boden, im Baumbestand ableiten?

Dann haben wir mehrere anknüpfende Themen mit der Kieler CAU, wo es zurzeit vor allem um Moore geht: Waldmoore und offene Hochmoore. Ein aktueller Forschungsbereich beschäftigt sich mit der Frage: Wie kann man Treibhausgasemissionen in Waldniedermooren ermitteln und einigermaßen belastbar darstellen, um die Wirkung von Vernässungsmaßnahmen einzuordnen und zu honorieren?

Welche Programme, Richtlinien, Einrichtungen, Institutionen etc. haben deine Arbeit beeinflusst, und wie beurteilst du deren Wirkung?

Die EU-Richtlinien zu Natura 2000 legen wesentliche Vorgaben fest. Das hat direkte Auswirkungen auf meine Tätigkeit, da sich in der SHLF rund ein Drittel der Fläche in Natura 2000 befindet und ein Verschlechterungsverbot umgesetzt wird.

Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz des Bundes ist auf das Land übertragen das Programm Biologischer Klimaschutz. Es gibt dabei ein Programm des Landes und ein Förderprogramm, die man nicht verwechseln darf. Das Förderprogramm deckt Maßnahmen finanziell ab. Man kann einen Antrag einreichen, wenn es z.B. um eine Moorvernässung geht, aber auch, wenn es z.B. um einen Waldumbau von Nadelholz auf Moorboden in eine zukünftig vernässte Fläche mit Erle geht. Das Programm zielt auf Moorwiedervernässung, Waldumbauten und Aufforstungen als größte Posten. Kleinster Posten ist die Umwandlung von Ackerflächen in Grünland, um auch dort mehr auf Artenvielfalt und auf Klimaschutz hinzuwirken. Da die SHLF über ca. 1500 Hektar Waldniedermoore und weiteres Potenzial im biologischen Klimaschutz verfügen, ist auch dieses Programm sehr relevant.

Dann gibt es die Biodiversitätsstrategie des Landes neben der nationalen Biodiversitäts­strategie des Bundes. Die Landesstrategie benennt mehrere konkrete Maßnahmen für die SHLF und gibt Zeitziele vor.

Die Waldgesetze auf den verschiedenen Ebenen, genauso wie auch die Naturschutzgesetzgebungen und die Artenschutzgesetzgebungen sind für mich maßgebend und wichtig.

Sehr wichtig sind für mich auch die für unseren Betrieb selbst entwickelten Konzepte und Regelwerke. Dazu externe Regelwerke, die bindend sind, aber nicht von einer Behörde kommen. Die SHLF sind zum Beispiel sowohl FSC- als auch PEFC-zertifiziert, diese Doppelzertifizierung ist etwas Besonderes.

Wir haben für uns eine Waldbaurichtlinie aufgestellt, die auf über 60 Seiten darstellt, wie wir uns Waldentwicklung vorstellen: naturnah und strukturreich.

Wir haben mit dem Land zusammen einen Leitfaden, die „Handlungsgrundsätze zur Umsetzung von Natura 2000 in den Landesforsten“, erstellt. Die beschränken sich nicht nur auf Natura 2000, sondern folgen dem Prinzip: Wo haben wir Lebensraumtypen und welchen Erhaltungsgrad haben diese? Wir greifen dafür auf die Ergebnisse der Biotopkartierung des Landes Schleswig-Holstein zurück. Die Kartierung und den Kartierschlüssel gebrauche ich intensiv. Wenn Lebensraumtypen im Wald oder Offenland vorhanden sind, schauen wir, wie wir diese innerhalb der Natura 2000-Kulisse in einen günstigen Erhaltungsgrad entwickeln können, sofern sie es noch nicht sind. Die Flächen, die noch nicht Lebensraumtyp sind, versuchen wir in einen Lebensraumtyp zu entwickeln. Wir klären, wie der Erhaltungsgrad der Lebensraumtypen in diesen Flächen ist, welche Erhaltungsziele wir haben und welche Strukturen, Arten und Standorte wir fördern und welche Beeinträchtigungen wir vermeiden können. Das ist komprimiert in den Handlungsgrundsätzen festgehalten. Für die Lebensraumtypen Natura 2000 ist das Skript 481 Nr. 6a des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) relevant. Darin ist definiert, welche Parameter wichtig sind, um Lebensraumtypen weiterzuentwickeln.

Darüber hinaus haben wir ein Habitat- und Totholzkonzept. Das bedeutet, dass wir einen integrativen Ansatz haben, wie man in den Flächen Strukturen verzahnen oder Aspekte vernetzen kann. Über alle Flächen verstreut sind Tothölzer in verschiedenen Dimensionen und von verschiedenen Baumarten vorzuhalten und zu entwickeln. Daneben aber auch eine Zahl von zehn sogenannten Habitatbäumen pro Hektar in der Referenzflächengröße unserer über 100-jährigen Bestände. Diese macht in Summe gute 8.000 Hektar aus, sodass wir auf 80.000 Bäumen kommen. Das Konzept sieht die Auswahl, Umsetzung der Markierung und Digitalisierung und damit Sicherung dieser 80.000 Bäume vor. Die Zielzahl ist zwar bereits erreicht, aber es kommen immer wieder neue Bäume hinzu, weil z.B. der Schwarzspecht eine neue Höhle zimmert. Dann ist dieser Baum auch als Habitatbaum gesetzt.

Wir messen unsere Flächen und nehmen sie in einem zehnjährigen Turnus in einer sogenannten Forstplanung auf. Das ist ein Gutachten, das von externer Seite geschrieben wird. Es sagt aus, wie viel Holzvorrat es gibt, welche Baumarten-Ausstattung da ist, was in den nächsten zehn Jahren an Maßnahmen stattfinden soll, um die jeweilige Fläche weiterzuentwickeln, und was nachhaltig genutzt werden kann: Wie viel wächst zu, was kann dann maximal entnommen werden. Das geschieht bestandsweise, flächenscharf, Kleinfläche für Kleinfläche. Zusätzlich machen wir in diesem zehnjährigen Turnus eine sogenannte Betriebsinventur. Das ist eine Stichprobenmessung, bei der wir an über 7.000 Stichprobenpunkten bei uns in den Flächen Daten zu Baumarten, Alter, Durchmesser, Naturverjüngung erheben wie auch viele Strukturen naturschutzfachlicher Art: ob es Epiphyten an den Bäumen gibt, Efeu in einem stärkeren Ausmaß oder Flechtenbewuchs. Rindenabfälle, also Bereiche, wo der Holzkörper freigesetzt ist, Höhlungen, Ast- oder Kronenabrisse, stehendes und liegendes Totholz werden aufgenommen. Das sind viele verschiedene Parameter, durch deren Vergleich wir alle zehn Jahre sagen können, wie sich die Flächen weiterentwickeln, und das als unabhängige repräsentative Stichprobe. Die Revierleitungen kennen die Probepunkte nicht. Sie wissen also nicht, wo die Aufnahmen stattfinden. Wir bekommen dadurch als Betrieb ein objektives Bild davon, wie sich unsere Flächen entwickeln.

Was an Programmen vorhanden ist, reicht aus. Es muss nur auch umgesetzt werden können. Die Biodiversitätsstrategie des Landes ist umfassend und gut aufgestellt. Sie vermeidet, was in der Vergangenheit häufiger der Fall war: eine gewisse Einseitigkeit, wie die Betrachtung nur einer Art oder nur des Gewässerschutzes, und dabei andere Aspekte auszuklammern. Die verschiedenen Aspekte sind in dem Programm jetzt verschnitten. Das finde ich sehr gut und nun muss konkretisiert werden, wie es umzusetzen ist. Ist es mit ausreichend Mitteln hinterlegt und gibt es qualifiziertes Personal in dem notwendigen Maß, um es zu transformieren?

Der Gedanke dieser Strategie ist ja nicht nur, dass Maßnahmen beschrieben sind, die dann zu einer Fortentwicklung und Verbesserung beitragen, sondern auch: Wie kann ich die Gesellschaft vor Ort dafür begeistern, dass die Inhalte und Umsetzung der Biodiversitätsstrategie gut und richtig sind, wie kann ich die Leute entsprechend mitnehmen und durch Fortbildungen, durch Schulungen Multiplikatoren schaffen, die diese Gedanken in die Breite bringen, damit eine entsprechende Wirkung erzielt wird.

Welche Ziele waren dir bei deiner Arbeit für den Naturschutz wichtig? Haben sich die Ziele im Laufe der Zeit verändert?

Sie haben sich verändert. Als Kind und Jugendlicher stand der eigene Blick, die eigene Person im Mittelpunkt. Das hat sich insbesondere in der Förstereizeit gewandelt. Schon in der Anwärterzeit habe ich Waldführungen organisiert. Für mich wurde immer wichtiger, nicht nur etwas zu machen, sondern darüber zu berichten und andere Leute mitzuneh­men. Also „Gutes tun und darüber reden“ und das zum Beispiel im Rahmen von Exkursionen oder Projekten mit Kitas und Schulen.

In Satrup haben wir uns an einem BNE-Projekt (Bildung für nachhaltige Entwicklung) mit einem Waldkindergarten beteiligt. Das war ein internationales Projekt, bei dem 20 Tandems in Deutschland, Österreich und Südkorea beteiligt waren, jeweils ein forstlicher Part und eine Kita. Diese haben sich jeweils zusammen überlegt, was für ein Detailthema interessant sein könnte. Es sollte mit der Natur zu tun haben und letztlich als Anlass genommen werden, sich damit zu beschäftigen, wie Konsum stattfindet und wie man die Natur nachhaltig entwickeln und nutzen kann. Eine Fragestellung war auch, ob man das überhaupt schon im Kita-Alter vermitteln kann. Sind die nicht viel zu jung und zu klein? Das Ergebnis war: Nein, sie sind nicht zu jung und nicht zu klein, sondern sie verstehen das sehr gut und haben auch ihre Eltern davon begeistert. Es war ein tolles Projekt über zwei Jahre, das meinen Blickwinkel sehr geprägt hat.

Ich habe diverse Führungen angeboten. Zum Thema Eschentriebsterben kamen z.B. ohne große Vorankündigung 70 Leute in den Wald. Auch die Fledermaus-Monitoring-Tätigkeiten sind sehr interessant für Außenstehende, z.B. mit Detektoren.

Mein Blick hat sich also insofern gewandelt, dass ich nicht mehr nur die Maßnahmen umsetze. Ich fand Natur und die Arten, die dort vorkommen, immer faszinierend, aber mittlerweile noch mehr, das Ganze auch an die Menschen zu vermitteln und sie mitzunehmen.

Was sich auch noch deutlich verändert hat, ist der Blick auf die Frage, ob der Klimaschutz eine zunehmende Relevanz bekommen hat. Dieses Thema hat sich in den letzten Jahren intensiv entwickelt. Es findet also auch ein Themenwandel bzw. andere Schwerpunktsetzung statt.

Was würdest du als deinen größten Erfolg in Sachen Naturschutz bezeichnen und warum?

Da möchte ich drei Dinge nennen.

Ich habe mein Leben lang Bäume gepflanzt oder Flächen für Baumpflanzungen akquiriert. Mehrere zigtausend Bäume habe ich selbst gepflanzt und in Angeln mit den eingesetzten Kräften immerhin 25 Hektar neuen Wald geschaffen. Das sind etwa 150.000 Bäume mehr. Und Flächen, die vorher Acker waren, werden zukünftig naturnaher Wald. Dabei war mir wichtig, intensive Mischungen zu pflanzen und pflanzen zu lassen. Mit Flatterulme z.B. und verschiedenen Ahornarten und für den Waldrand verschiedene Straucharten. In meiner Förstereizeit sind 10.000 Eiben im Raum Mittelangeln in die Wälder gekommen. Das Begründen neuer Waldflächen und sogenannte Voranbauten waren auch ein Schwerpunkt meiner Arbeit und für mich eine geschaffene tolle Leistung.

Aus der ganz aktuellen Zeit in meiner neuen Funktion ist die Fertigstellung des Habitatbaum-Konzepts und seine Umsetzung ein Erfolg. Wir haben jetzt 80.000 Bäume als Ziel erreicht. Es begann ein bisschen schleppend. In der Umsetzung mussten wir auch Zeitziele verlängern. Ich konnte Dynamik in den Prozess bringen, sodass wir ihn alle zusammen abschließen konnten. Letztes Jahr konnten wir mit Minister Albrecht den 80.000sten Habitatbaum publikumswirksam präsentieren. Das Projektziel ist erreicht, aber Bäume werden auch weiterhin markiert, wenn sie z.B. eine Höhle aufweisen.

Relativ schnell ist auch der erste große Baustein aus der Biodiversitätsstrategie umgesetzt worden. Durch mein Mitwirken konnten wir die Altbaumrefugien fertigstellen. Das ist ein Instrument aus dieser Strategie, mit dem der Oberstand alter Laubholzrestbestände stillgelegt wird. Nicht die ganze Fläche ist stillgelegt wie im Naturwald, wo es sich so entwickelt, wie die Natur es möchte. Sondern die alte Baumschicht, die oben drübersteht, wird nicht mehr genutzt. Sie kann alt werden und zerfallen, aber das, was unten nachwächst, der Unter- und Zwischenstand sowie Nachwuchs, wird forstlich weiterentwickelt. Das heißt, dieses Instrument dient einerseits einer Wirtschaft, die weiterhin Holz produziert, und hat andererseits eine hohe naturschutzfachliche Wirkung, weil die Alters- und Zerfallsphase, eine ganz wichtige Biodiversitätsphase, ebenfalls in der Fläche über viele Jahre erhalten bleibt.

Diese Situation besteht nun auf fast 40 Flächen mit circa 250 Hektar ganz verteilt über das Land. Wir haben dafür im Vorfeld sehr viele Flächen bereist, je nach Eignung ausgesucht und Prioritäten festgelegt. Das geschah mit sehr viel Enthusiasmus und viel Zeitaufwand, um die Gremien zusammenzuholen, die Exkursionen zu organisieren und Ergebnisse aufzubereiten. Da waren die SHLF, das Landesamt (ehemals LLUR), die Untere Forstbehörde, die Obere Naturschutzbehörde und zum Teil auch das Ministerium (ehemals MELUND) beteiligt. Mit allen zusammen fiel letztlich die gut begründete Entscheidung, welche Flächen es sein sollten. Das Projekt Altbaumrefugien ist nun vorerst zum Abschluss gekommen und es gibt dazu ganz aktuell einen Artikel im Jahresbericht zur Biologischen Vielfalt.

Wann ist dir der Begriff Klimaschutz zum ersten Mal begegnet?

Der Begriff Klimaschutz ist mir tatsächlich erst durch die gesellschaftliche Aufwertung und durch die größere öffentliche Wahrnehmung begegnet, im Zuge der Klimaschutzkonferenzen z.B. Kyoto 1997 und Paris 2016.

Hast du Klimaschutzaspekte bei deiner Naturschutzarbeit aktiv mit einbezogen? Wo und wann ist dir das mit welchen Maßnahmen gelungen.

Zunehmend habe ich Aspekte aus dem Klimaschutz in meine Tätigkeiten mit einbezogen. Aus dem Bereich Artenschutz und Biotopschutz kommend, habe ich mich auch dort weiterentwickelt. Im Kontakt zu Institutionen oder bei der Vernetzung und den Kooperationen in der Förstereizeit genauso wie in der jetzigen Funktion oder in der Arbeit mit dem Naturschutzverein ging es eigentlich immer darum, wie Biotope oder Arten gefördert werden konnten. Der Klimaschutz ist im Prinzip aber häufig schon unbewusst mit dabei gewesen.

Wenn wir z.B. Maßnahmen wie eine forstliche Nutzung durchführen, bei der ein Baum zu Brettern wird, die dann in einer tollen Tischplatte, in einer Anrichte oder im Fußboden zur Geltung kommen, dann ist das relevant für den Klimaschutz. Hölzer werden verbaut und sind im Idealfall langfristige Produkte, die einen Produktespeicher darstellen, der der Atmosphäre dauerhaft CO2 entzieht und festlegt.

Klimarelevant ist z.B. auch Moorrenaturierung (die es bei den Landesforsten schon in den 1980er-Jahren gegeben hat). Die Landesforsten haben damals bereits Moore renaturiert und Gräben verschlossen, aber mit dem Ziel, dass die natürliche Pflanzenausstattung wiederkommt und die Tierarten, die dorthin gehören, einen entsprechenden Biotop vorfinden sollten. Heute geht der Blick fokussiert auch dahin, dass wir mit so einer Maßnahme CO2 und weitere klimaschädliche Gase festlegen oder dass wir zumindest die Treibhausgasemissionen reduzieren. Im Moment ist in diesen Flächen die Wirksamkeit noch nicht so groß, dass wir eine Senke haben, sondern wir reduzieren im ersten Schritt, was an Treibhausgasen in die Atmosphäre geht. Nach der Maßnahmenumsetzung ist ein sich anschließendes langfristiges Monitoring wichtig, um zu schauen, ob und wie sich die Fläche entwickelt und inwiefern die Maßnahme im Hinblick auf den Klima-, Biotop- und Artenschutz wirksam ist.

So ziemlich alles, was ich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeiten umsetze, hat mittlerweile etwas mit Klimaschutz zu tun, auch bezogen auf die Instrumente oder Programmprojekte, wie beispielsweise Schutz alter Bäume oder Strukturen in den Wäldern zu schaffen. Wenn ich einen Lebensraumtyp vital und naturnah entwickle, habe ich voraussichtlich automatisch eine höhere Resilienz in der Fläche. Diese höhere Stabilität des Systems führt dazu, dass der Kohlenstoff, der jetzt in den Hölzern oder im Boden gebunden ist, auch da bleibt. Ein einstufiger, gleichaltriger Fichtenwald könnte z.B. schneller von Dürre betroffen und/oder vom Borkenkäfer befallen sein. Dann würde sich der Kohlenstoff, der dort jetzt noch gebunden ist, in einigen Jahren, je nachdem welches Produkt aus den Hölzern gemacht würde und wie schnell das Restholz auf der Fläche zersetzt wird, wieder in der Atmosphäre befinden. Der Bodenkohlenstoff würde eventuell schneller ausgasen. Dagegen habe ich in einem sehr strukturierten, vielfältigen und artenreichen System eine höhere Stabilität, also auch eine höhere perspektivische Kontinuität, was die Festlegung von Kohlenstoff angeht.

Haben sich im Nachhinein Maßnahmen, die früher andere Ziele verfolgten, deiner Meinung nach als klimarelevant erwiesen?

Klimarelevant sind sicher die oben erwähnten Moorrenaturierungen, die zum Erhalt oder zur Wiederherstellung der Biotope umgesetzt worden sind.

In vielen Flächen sind bereits seit den 1980er-Jahren Grabenstauungen erfolgt, sodass Flächen, die ursprünglich einmal eine wasserreiche Senke waren, dann über Jahrhunderte durch den Menschen entwässert wurden, wieder aktiv zurückgeführt worden sind. Damit hat man, ohne es zu bewusst zu bezwecken, letztlich auch Torfe vor dem weiteren Ausgasen geschützt.

Ein weiteres Beispiel ist das Unterlassen der flächenhaften Entwässerung. Schon im Mittelalter und weit davor, als sich nasse Flächen für den Menschen unattraktiv darstellten, wurden Gräben durch die Flächen gezogen und der Wald entwässert. Noch in den 1960er-Jahren war es eine ganz normale monatelange Sommertätigkeit der Forstwirte und Waldarbeiter, Gräben in den Waldflächen freizuschaufeln und Wasser abzuführen. Mittlerweile beschränkt sich das auf Wasser- und Bodenverbandsgräben mit Personal- und Maschineneinsatz von Verbandsseite, also auf Verbandsgewässer, die noch durch die Fläche laufen. Wir unterhalten grundsätzlich keine Entwässerungssysteme mehr, sodass das Wasser in den Flächen verbleibt. Wir arbeiten mit Blick auf die Entwicklung eines naturnahen Landschaftswasserhaushalts und unterstützen durch den Wasserrückhalt auch die Vorflut, die sich für Verbandsgewässer ergibt. Auf den meisten landwirtschaftlichen Flächen ist es ja nach wie vor so, dass das Wasser möglichst schnell abgeführt werden soll, damit die angebaute Frucht nicht verfault bzw. damit der Landwirt das Feld wieder befahren kann. Im Wald ist es anders. Wir halten das Wasser deutlich mehr zurück und schaffen dadurch auch ein gesünderes Bodenleben, was wiederum mehr Kohlenstoff im Boden bindet. Das haben wir damals nicht so reflektieren können, heute wissen wir das.

Jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter und möchten auch Feuchtwaldbereiche identifizieren. Wir fragen: Wie war der Wasserhaushalt vor 500 Jahren? War der Standort ursprünglich nass? Jetzt stehen da z.B. Buchen und wir könnten versuchen, die ehemaligen Gräben, die noch als Mulden erkennbar sind, auch komplett zu verschließen und das ganze Gebiet nach und nach wieder unter Wasser zu setzen. Das müsste aber betrieblich intensiv abgewogen und mit Behörden und weiteren Trägern öffentlicher Belange abgestimmt werden, weil der vorhandene Bestand auch eine hohe Wertigkeit haben kann. Das kann z.B. ein alter Buchenbestand sein, vielleicht sogar als Lebensraumtyp ausgewiesen. Stellten wir den natürlichen Wasserhaushalt wieder her, ginge uns der alte Buchenbestand verloren und damit auch der Lebensraumtyp.

In welchen Bereichen ist die Integration von Naturschutz und Klimaschutz am besten gelungen? Was waren die entscheidenden Faktoren?

In meinem Aufgabenbereich mit Wald, Wasser und Moor als Grundlage ist das sehr gut zu kombinieren. Im Bereich Naturschutz entwickeln sich die Dinge ganz häufig so, dass sie Synergien ergeben. Wenn ich etwas für den Wasserhaushalt tue, tue ich in der Regel etwas für die Artenvielfalt wie auch für den Klimaschutz, weil ich Kohlenstoff binde. In den wassergeprägten Bereichen wie den Mooren und Senken ist das völlig offensichtlich. Wir haben nicht nur baumbestockte Flächen, sondern auch Grünländereien. Und auch diese Offenlandflächen, die nach und nach wieder vernässt werden, weil z.B. aktiv Maßnahmen umgesetzt oder die Entwässerungssysteme nicht weiter unterhalten werden, entwickeln sich entsprechend naturnah und integrieren Natur- und Klimaschutz.

In welchen Bereichen hat das Einbeziehen der Klimaschutzaspekte gar nicht funktioniert? Woran lag das? Am fehlenden Wissen/Bewusstsein, an Sachzwängen oder an handelnden Personen?

Bei uns ist die Umsetzung von Maßnahmen relativ einfach, es gibt nur einen Eigentümer. Wichtig ist, innerhalb eines solchen Betriebs gut zu informieren, damit alle am selben Ende des Strangs ziehen, aber letztlich ist es viel einfacher, als in einer Gemengelage aus verschiedenen Besitzarten. Aber auch bei uns gibt es natürlich Konflikte. Es gibt bei uns Flächen, die wir z.B. vernässen möchten, wo es aber einen Oberlieger gibt, dessen Fläche uns nicht gehört. Wir können unsere Fläche aber nicht vernünftig entwickeln, wenn der Oberlieger nicht mitzieht. Dann wäre es die ideale Lösung, wenn wir die Fläche erwerben könnten, um in so einem Fall weiterzukommen.

Grundsätzlich empfinden wir uns mit den Maßnahmen, die wir durchführen und mit dem Waldbau, den wir betreiben, als Arten-, Natur- und Klimaschützer. Wir haben unsere Leistungen auch in Zahlen. Der Wald- bzw. Baumbestand alleine macht bei uns 13,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente aus. Das ist ja schon eine Hausnummer. Mit dem Programm Biologischer Klimaschutz möchte das Land bis zum Jahr 2030 jährlich sukzessive zunehmend gut 700.000 Tonnen CO2-Äquivalente zurückhalten bzw. binden. Wir liegen allein mit dem Vorrat, den wir in den Wäldern haben, zur Zeit bei 330 Kubikmeter pro Hektar. Das ist im Bundesvergleich relativ hoch und wir bauen weiterhin Holzvorrat im stehenden Baumbestand auf (jährlich rund 110.000 Kubikmeter). Zusätzlich haben wir den Produktespeicher, wenn wir Hölzer abgeben, die in langlebige dauerhafte Produkte verarbeitet werden. Dazu kommen Substitutionseffekte durch die Wirtschaft, wenn zum Beispiel ein Stahlträger in einem Bau durch einen Holzbalken ersetzt wird. Der Stahlträger ist viel aufwendiger, also CO2-belastender herzustellen als ein Holzbalken und er wird auch physisch ersetzt. Das ist eine deutliche Aufwertung. Diese sogenannte Substitution macht ebenfalls relativ viel aus. Es ist also eine hohe Klimaschutz-Leistung, die wir vollbringen. Etwa acht Tonnen CO2-Äuivalente pro Jahr und Hektar oder anders gesagt über 300.000 Tonnen im Jahr und dazu kommen noch die Moorvernässungen und das, was wir an Potenzialen haben, wenn wir den Wasserhaushalt noch weiter natürlich entwickeln. Da sind wir noch nicht am Ende. Das Potenzial liegt, wenn die vorläufigen Zahlen richtig sind, zwischen 30.000 und 40.000 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr, die wir durch Niedermoorrenaturierung nochmal einsparen könnten. Also Niedermoorflächen, die jetzt im Moment noch entwässerte Situationen darstellen. Wenn diese Flächen gut eingestellt sind und sich mit einer entsprechenden Pflanzenausstattung entwickeln, werden sie möglicherweise zu Senken, weil dann aktiv Kohlenstoff aus der Atmosphäre in die Pflanzenmasse eingebaut wird und dauerhaft vor Ort verbleibt. Wir sind offen dafür und auf einem guten Weg.

Aber in die Vergangenheit zurückgeblickt, gibt es auch Bereiche, wo Gründe zu finden sind, weswegen Umsetzungen bisher nicht funktioniert haben. Da sind zum Beispiel labile Wälder zu nennen. Nach den Kriegen gab es Reparationshiebe durch die Alliierten. Da sind viele Flächen kahl geschlagen worden und dann wurde forstlich angebaut, was zu kriegen war oder wovon die Menschen sich erhofften, dass man am schnellsten wieder einen Balken oder anderes daraus sägen konnte. Es wurde also häufig Fichte angepflanzt. Solche von damals stammenden gleichaltrigen Reinbestände haben wir noch, aber wir sind mittlerweile bei über 80 Prozent Mischbeständen angekommen. Dennoch haben wir noch diese Hypothek. Auch die vor Jahrhunderten initiierte Entwässerung von Flächen war im Rückblick nicht gut. Aus der damaligen Sicht der Menschen und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie bei Weitem nicht den CO2-Ausstoß hatten und es die Weltbevölkerung in der heutigen Höhe nicht gab, kann man das natürlich nicht mit der heutigen Situation vergleichen. Damals konnte man es sich womöglich erlauben, Moore trockenzulegen, Wälder zu entwässern und Ackerflächen zu schaffen, was „kultivieren“ genannt wurde.

Und natürlich gibt es auch in den Landesforst-Liegenschaften noch die eine oder andere Öl-Heizung oder es fehlt die optimale Dämmung. Das ist erkannt und wird angefasst.

Durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen habe ich erkannt, dass Homeoffice sehr effektiv sein kann und funktioniert. Dienstbesprechungen finden nun überwiegend als Video-Konferenzen statt. Die Präsenztreffen sind weniger geworden. Wenn das jeder Betrieb so umsetzen könnte, könnte das zu einem immens geringeren CO2-Ausstoß im Verkehrssektor führen.

Bisher hatten wir Verbrennermotoren, jetzt stellen wir auf E-Mobile um. Das ist bei Weitem noch nicht abgeschlossen und wer weiß, ob sich das vielleicht wieder überholt und wir irgendwann bei Wasserstofftechnik sind und einen Fuhrpark haben, der mit grünem Wasserstoff fährt.

Gibt es, wenn du auf die einzelnen Projekte zurückblickst, Dinge, die du heute in Bezug auf den Klimaaspekt anders machen würdest?

Nein, mir ist nichts eingefallen, von dem ich sagen würde, dass ich das jetzt grundsätzlich anders machen würde. Es ergänzt sich oftmals und vorteilhaft.

Wie sieht für dich erfolgreicher Naturschutz verbunden mit Klimaschutz in Zukunft aus, und wo siehst du die Grenzen des Zusammenwirkens?

Ein guter wirksamer Natur- und Klimaschutz darf nicht einseitig sein. Man muss alle Aspekte oder Teilgebiete von Naturschutz zusammenfügen und zusammendenken. Man darf niemals einseitig Klimaschutz betreiben wollen. Ich finde es z.B. problematisch, CCS-Technik anzuwenden und CO2 zu verpressen und dabei nicht hundertprozentig zu wissen, wie sich das entwickeln wird.

Ich fände es – als ein weiteres Beispiel – im Waldbau nicht richtig, eine Baumart zu nehmen, die im aktuellen Vergleich am schnellsten wächst, zum Beispiel einen Acker mit Eukalyptus zu bepflanzen oder mit Nadelbaumarten, die extrem schnell wachsen und damit einen maximalen Klimaschutzeffekt hätten, aber die Artenvielfalt dann unter den Tisch fiele.

Die Biodiversitätsstrategie des Landes ist daher gut konzipiert, weil sie viele Aspekte zusammenführt und den Gedanken enthält, dass die Umsetzung oft nicht von einem Betrieb oder einer Einzelperson ausgeführt werden kann, sondern möglichst gemeinschaftlich erfolgen muss.

Erfolgreicher Naturschutz heißt, dass sowohl behördliche Ebenen, also die regelnden Stellen, als auch die Politik, die die Gesetze und Regelwerke schafft, sich mit der Wissenschaft austauschen, damit die entsprechende Expertise vernünftig eingebunden ist und die Ziele und Maßnahmen mit Forschung hinterlegt sind, und darüber hinaus, dass die Bevölkerung mitgenommen wird. Dafür müssen gut verständliche Fortbildungsangebote geschaffen werden, aber auch die Vermittlung in Medien, ob digital oder traditionell, muss so erfolgen, dass jeder Mensch versteht, dass es um „Global denken, lokal handeln“ geht und was er selbst in seinem eigenen Bereich dafür tun kann.

Welche Ziele und Herangehensweisen hältst du in diesem Zusammenhang für realistisch?

Die Frage ist: Was ist denn notwendig? Wenn ich mich an Klimaszenarien orientiere, dann müssen sich die Maßnahmen an dem Szenario mit weniger als 1,5 Grad Temperaturerhöhung orientieren. Ob Kippeffekte jetzt schon eingesetzt haben, ob also die Polkappen abschmelzen, ob die Gletscher komplett verschwinden, ob sich Methanhydrat an den Meeresschelfen verselbstständigen wird, ob das bereits unumkehrbar ist … ich weiß es nicht. Aber jede Maßnahme ist notwendig, die dazu führt, dass diese Effekte ggf. aufgehalten oder gemildert werden und das Pariser Klimaziel eingehalten werden kann. Ich selbst kann dieses große Rad nicht drehen, aber ich habe operative Ziele zur Umsetzung im eigenen Bereich.

Zum Beispiel im persönlichen Bereich werde ich weiterhin in meinem Naturschutzverein naturfördernd wirken und im eigenen Haus und Garten möglichst ressourcenschonend agieren. Wir bauen selbst Kartoffeln an und versuchen regionale Produkte aus naturverträglichem Anbau zu kaufen. Die Kinder wertschätzen das. Wir fahren Fahrrad und privat E-Auto, bekommen demnächst Photovoltaik aufs Dach.

Auch im Beruflichen sind die Dinge gesetzt. Ich versuche die Ziele aus den Programmen Biodiversitätsstrategie und Biologischer Klimaschutz umzusetzen. Wir haben die Pilotstudie zu den Mooren, wir wissen, wo die Moorstandorte sind, die wir noch entwickeln möchten.

Auch das Thema Erhöhung der Waldfläche in Schleswig-Holstein verfolgen die SHLF intensiv. Von Seiten des Ministeriums haben wir dazu einen Auftrag und ein entsprechendes Budget bekommen. Das Problem dabei ist die Flächenverfügbarkeit. In Konkurrenz zur Landwirtschaft an Flächen zu kommen, ist extrem schwer. Wir sind hier in Schleswig-Holstein in einer Gunstregion, das heißt, das Klima ist noch vergleichsweise gut für alle möglichen Formen der Landwirtschaft, sodass Preise für landwirtschaftliche Nutzungen gezahlt werden, mit denen eine Waldentwicklung nicht unbedingt mithalten kann. Da müsste politisch gewirkt werden. Schleswig-Holstein ist von der Fläche her das waldärmste Bundesland und es gibt seit Jahrzehnten das Ziel, auf zwölf Prozent Waldanteil zu kommen. Das wären jetzt noch mal 12.- bis 15.000 Hektar. Davon sind wir noch weit entfernt.

Es wäre schön, wenn der politische Rahmen entsprechend gesetzt würde. Auf allen Ebenen: lokale Politiker, Landespolitik, bis hin zur Europäischen Union. Es stellt sich die Frage zu Fördermodellen. Wie können Förderanreize im Wald oder in der Forstwirtschaft gesetzt werden, die mit der Landwirtschaft mithalten können, sodass es für einen Flächenbesitzer attraktiv wird, einen naturnahen Wald zu schaffen, der eine nachhaltige Einnahmequelle darstellt, wenn nicht nur das Holz Erlöse brächte, sondern auch die Ökosystemleistungen finanziert würden.

Welche Fehler dürfen auf keinen Fall gemacht werden?

Keine Einseitigkeit! Keine einseitige Betrachtung von einem bestimmten Schutzaspekt im Tausch gegen einen anderen. Also nicht überbetont nur Klimaschutz betreiben wollen. Ich muss Klimaschutz und Biodiversität zusammendenken, sonst funktioniert es nicht.

Genauso halte ich es für fragwürdig, Atomkraft als grüne Energie darzustellen. Da erzeugen wir zwar im laufenden Betrieb keine zusätzliche CO2-Emission, die in die Atmosphäre gelangt. Aber es ist dennoch untragbar, weil Werke nicht garantiert vor Störfällen oder Angriffen geschützt werden können und weil wir nicht wissen, wo Restlagerstätten entstehen sollen.

Ich muss alles betrachten. Nur nachhaltige, mit der Natur gemeinsam agierende und den Konsum der Menschheit berücksichtigende Verfahrensweisen können zielführend sein. Auf den Wald bezogen ist das gut lösbar, da sich nachhaltige Nutzung und fachlich hochwertiger Naturschutz auf derselben Fläche meist nicht ausschließen, sodass Stilllegungsinitiativen nicht flächig greifen müssen.

Man sollte noch mehr in die Forschung investieren, um herauszufinden, welche bisher nicht holzbasierte Produkte aus Holz hergestellt werden können, um nicht regenerative Systeme nach und nach abzustellen. Wir müssen alle Perspektiven zusammenführen und dabei den menschlichen Konsum nicht ausschließen, sondern mitdenken. Und auch die sehr langfristige Perspektive: Was soll künftigen Generationen übergeben werden?